Interview

Mogwai


Ihre Musik halten Mogwai ziemlich wortkarg – ganz anders sieht's aber aus, wenn man den Schotten ein Mikro vor die Nase hält. Im Hamburger Grünspan gab sich Gitarrist Stuart Brathwaite die Ehre: Im Interview mit éclat plaudert der Gute über das bandeigene Label, den Libyen-Krieg und einen singenden Berg.

Auf eurem letzten Album hattet ihr Jim Morrisson auf der Tracklist, dieses Mal sind es Margaret Thatcher, George Square und Lionel Richie. Was muss man leisten, um auf der Tracklist eines Mogwai-Albums zu landen?

Stuart: Entweder unbeliebt und scheiße sein, wie im Falle Thatchers, oder einfach tot, siehe Jim Morrison. Irgendwas Schräges auf jeden Fall. Ich kann es dir aber gar nicht so genau sagen, unsere Titel sind meist nur Blödeleien.

"Hardcore Will Never Die, But You Will" klingt bunter, facettenreicher und euphorischer als alle eure verganenen Alben. Habt ihr darauf gezielt hingearbeitet?

Stuart: Nicht wirklich. Das ist natürlich passiert. Wir schreiben eigentlich immer aus dem Bauch heraus, der Zufall spielt bei Mogwai immer eine große Rolle. Einen Masterplan gibt's bei uns nicht. Einzige Vorgabe: es soll interessant bleiben.

Viele reden auch vom zugänglichsten Mogwai-Album bislang. Für dich nachvollziehbar?

Stuart: Ja, absolut. Die Platte hat eine gewisse Leichtigkeit, die wir vorher noch nicht erreicht haben. Aber wie wir das geschafft haben, kann ich dir auch nicht sagen (grinst). Ist einfach beim Spielen passiert.

Ihr erjammt Eure Songs also?

Stuart: Genau, unsere Songs schreiben wir zu viert und abgeschottet. Wir schreiben immer ziemlich viele Songs für eine Platte, deswegen ging auch dieses Mal wieder eine Menge Zeit dafür drauf, zu überlegen, welche davon letztendlich auf der Platte landen. Dafür entscheiden wir uns aber erst immer im Studio.

Auf euer siebtes Album haben es dieses Mal gleich zwei Songs mit Gesang geschafft. Das bringt euch in die Lage, dass auch Songtexte auf dem Album landen. Haben die sich mit den Songs entwickelt oder wann habt ihr entschieden, Gesang einzusetzen?

Stuart: "Mexican Grand Prix" war zunächst ein elektronischer Instrumental-Song. Luke (Sutherland, Autor und Gründungsmitglied von Long Fin Killie, Anm. d. Verf.) hatte ganz spät bei den Aufnahmen erst die Idee, eine Gesangsspur hinzuzufügen. Folgerichtig hat er auch den Text zum Song geschrieben und singt ihn auch live, da er uns als Musiker bei der Tour unterstützt. Auf dem Album spielt er daneben auch noch Geige. Der andere Song, "George Square Thatcher Death Party", hat gar keinen Text – das ist eigentlich nur Gebrabbel. Den singe ich.

Hoch gelobt wurde das Artwork des neuen Albums. Wolltet ihr damit was aussagen?

Stuart: Wir haben uns eigentlich nur in diese Fotos verknallt. Die Idee hatte Anthony Crook, ein befreundeter Fotograf. Für dessen Kuzfilm "Thirty Century Man" haben wir auch unseren Song "How To Be A Werewolf" zu Verfügung gestellt.

Nicht nur hier bandelt ihr mit Kunst an, ihr habt sogar einen Song für ein Kunstwerk geschrieben. Das heißt "Monument For A Forgotten Future", entstand im Rahmen der Emscherkunst 2010 und ist eine maßstabsgerechte Kopie eines Bergs, der im Nationalpark bei Los Angeles steht. War das nicht abgefahren, für so etwas einen Song zu schreiben?

Stuart: Eine völlig neue Erfahrung war das eigentlich gar nicht. Wir haben früher schon einmal mit Douglas Gordon gearbeitet, der einer der beteiligten Künstler ist. Gordon hat auch den Film über Zidane gedreht, für den wir den Soundtrack geschrieben haben. Bei dem Song für den Berg war es nicht so, dass wir einen Song schreiben mussten, den sich die Leute von vorn bis hinten anhören. Beim "Song For A Singing Mountain" haben wir einfach nur darauf geachtet, dass er episch ist und Platz zum Atmen hat.

War das die Vorgabe oder seid ihr hingefahren und habt euch das Ding angeguckt?

Stuart: Das Witzige ist ja, dass wir das Kunstwerk noch gar nicht gesehen haben (lacht). Wir wussten nur ungefähr, wo der Berg stehen und wie groß er sein sollte. Würde mich jetzt aber mal interessieren, was daraus geworden ist.

Neben Mogwai betreibt ihr auch noch euer Label "Rock Action Records". Habt ihr grad neue Bands in der Hinterhand, die man sich merken sollte?

Stuart: Oh ja. Zum einen haben wir "Blank Man", ein Projekt von Ben, der sonst bei den Fuck Buttons dabei ist. Was er so macht, ist der Wahnsinn. Zudem machen einige andere unserer Bands gerade neue Alben – Remember Remember zum Beispiel bringen ihr zweites Album heraus. Ist gerade Einiges zu tun.

Einiges oder schon zu viel?

Stuart: Es geht noch. Wir haben einen Label-Manager, der den ganzen langweiligen Scheiß macht. Daneben gibt es immer noch echt viel zu tun, aber es macht echt eine Menge Spaß. Schön ist, dass wir mit dem vielen Touren und dem Label zusammen inzwischen auch finanziell ganz gut über die Runden kommen.

Über die Musik hinaus äußert ihr euch auch gern mal zum Geschehen in der Welt. In Großbritannien hat die britische Regierung dieses Jahr die Studiengebühren verdreifacht, was eine riesige Protestbewegung heraufbeschwor. Wart ihr auch auf der Straße?

Stuart: Als die Regierung das beschlossen hat, waren wir gerade auf Tour. Aber wäre ich zu Hause gewesen, wäre ich sofort auf die Straße. Was da gerade abläuft, ist eine Frechheit. Der Staat rettet reihenweise Banken, die Jugendlichen dürfen es bezahlen. Unfassbar.

Die Welt bewegen derzeit zwei große Themen – Libyen und Fukushima. Hast du mitbekommen, wie die Menschen in Schottland damit umgehen?

Stuart: Wir sind so viel unterwegs, da ist es schwer, etwas darüber zu sagen, wie man das in Schottland sieht. Für mich kann ich nur festhalten, dass ich die Invervention in Libyen für falsch halte. Da geht es wieder mal nur ums Öl. So kranke Massenmörder wie Gaddafi gibt es überall auf der Welt und es schert die Politik einen Dreck. Nur ausgerechnet dort, wo es so viel Öl gibt, greift sie ein. Kein Zufall, wenn du mich fragst. Und ich denke mal, in Schottland denken die Menschen so ungefähr dasselbe.

Zur Abschlussfrage: Der Titel "Hardcore Will Never Die, But You Will" wird ja gern als Statement gelesen...

Stuart: Echt? Cool.

Er ist also keines?

Stuart: Nein, wir hielten ihn einfach für einen verdammt guten Albumtitel.

Okay, das passt jetzt gut zur letzten Frage: Habt ihr Spaß daran, Leute mit uneineutigen Statements zu verwirren, beziehungsweise gezielt ins Dunkel zu führen?

Stuart: Kurz und knapp: ja! (grinst)

Wussten wir es doch! Vielen Dank für das Interview!

Gordon Barnard

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