Interview

Fujiya & Miyagi


Vor kurzem veröffentlichten Fujiya & Miyagi ihr neues Album "Lightbulbs". Nicht tanzbar, nicht melodiös, nicht entspannt, oder doch alles gleichzeitig? Wir sprachen mit Sänger und Gitarrist David sowie Bassist Matt über Krautrock, das neue Album und klären, wieso David als Engländer seine "R"s rollt. Nebenbei erwähnt sind die beiden sehr nett und entspannt - hätte man nach dem Hören der Musik aber auch nicht anders erwartet.

Mich würde vor allem interessieren, wie eure Herangehensweise an eure Musik ist. Wie schreibt ihr Songs? Welche Ideen stecken dahinter?

Matt: Viele Lieder kommen erstmal von David, weil er die Texte schreibt. Dazu schreibt er meist noch ein Riff und dann bringt er das zu einer Probe mit.

Das ist wirklich euer Startpunkt? Ich hätte jetzt vermutet, dass der Text ganz zum Schluss kommt.

Matt: Naja, das ist ein Weg. Bei "Uh" oder "Pussyfooting" war es so, dass David sozusagen den ersten Schritt macht...

David: ...und die anderen bringen dann Rhythmik und weitere Ideen hinzu. Bei einigen Songs ist es so, dass ich ne grobe Idee habe, was in nem Song passieren soll, Steve hat vielleicht ne ganz andere rhythmische Idee, er arbeitet ein bisschen daran und am Schluss bringen wir alles zusammen. Bei anderen, wie zum Beispiel bei "Cassettesingle" vom Album "Transparent Things", ist es auch anders, da steht mal ne Bassline zuerst. Einen Königsweg gibt es natürlich nicht, und das ist auch gut.

Was soll ein Song denn eurer Meinung nach beim Hörer oder bei euch anrichten?

David: Sehr schwierig zu sagen, da unsere Musik von unterschiedlichen Leuten sehr verschieden aufgenommen wird. Manche mögen die Melodien, manche mögen das Physische, manche die Wörter. Ich denke, wir versuchen, dass man unsere Alben hören kann, wenn man schlafen geht, dass man gleichzeitig aber auch dazu tanzen kann - beziehungsweise wäre das wohl die Idealvorstellung. Aber man kann nicht wirklich darüber nachdenken, was das Publikum hören möchte. Man kann eigentlich nur machen, was man selbst mag.

Irgendwie sitzt ihr tatsächlich zwischen den Stühlen, was natürlich auch gefährlich sein kann. Die Tanzfläche habt ihr aber schonmal nicht primär im Hinterkopf?

David: Steve vielleicht schon, da er die elektronischen Sachen programmiert. Aber für uns persönlich geht es natürlich erstmal darum: Mag ich es? Mögen es die Anderen?

Wenn man zum Beispiel den Vergleich zu LCD Soundsystem, Hot Chip oder ähnlich angesagten Bands zieht, merkt man eben, dass...

David: ...wir viel mehr auf die Songs achten, Akkorde und sowas verwenden. Die haben dagegen einen starken House- und Dance-Hintergrund. So sehe ich das zumindest.

Matt: Wir zielen auch weniger auf die Clubs, wir sind eher eine Band, die Konzerte spielen will.

Ich seh euch heute das erste Mal live. Habt ihr vor dieser Tour auch schon mit einem Schlagzeuger gespielt?

David: Lee kam vor ungefähr einem Jahr dazu, davor verwendeten wir viele Jahre eine Drummachine. Natürlich fühlt sich das mit Lee jetzt ganz anders an, aber das wirst du heute Abend bestimmt auch merken.

Euch wird immer ein Krautrock-Einfluss angedichtet. Natürlich gibt es Parallelen, aber seht ihr Krautrock tatsächlich als euren musikalischen Background?

David: Also für mich persönlich spielt das auf jeden Fall eine große Rolle. Can, Kraftwerk, oder wenn man etwas tiefer geht La Düsseldorf, Harmonia, Faust sind alle für mich als Fan sehr, sehr wichtig. In unserer Musik hat der Einfluss dieser deutschen Bands aber abgenommen, denke ich. Das fiese ist ja auch: Ich mag diese Bands wirklich sehr und deswegen rede ich auch die ganze Zeit darüber und deswegen werden wir vielleicht ein bisschen in diese Ecke gedrängt. Aber wenn man genau hinhört, erinnern unsere Songs vermutlich eher an Funkbands oder Talking Heads oder irgendwas anderes.

Ich stimme dir da auf jeden Fall zu. Trotzdem frage ich mich, wo das herkommt? Was gefällt dir am Krautrock denn oder was denkst du, hast du versucht, in eure Musik mitzunehmen?

David: Naja, erstmal muss man ja feststellen, dass diese Bands auch alle sehr verschieden sind. (überlegt) Aber ich denke, sie eint, dass sie - gerade im Vergleich zu den englischen und amerikanischen Bands dieser Zeit - wesentlich reduzierter zu Werke gehen, sie verwenden Wiederholungen, alles ist etwas cooler angelegt, sie gehen nicht so aus sich heraus. Es geht mehr um den Song und um den Rhythmus als um ein "wow, jetzt kommt gleich das Gitarrensolo". Und diesen reduzierten Sound von Can oder Neu! verwenden wir eben wieder. Bei Kraftwerk dagegen ist es eher die Einfachheit der Melodien, die uns interessiert. Für mich sind Kraftwerk auch nach wie vor relevant. Die höre ich mir lieber an als die meisten aktuellen elektronischen Acts, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass die jetzigen besser sind. Dann gibt's natürlich auch Bands, die wir wegen ihrer Basslines mögen und so schustert man sich das dann zusammen. Natürlich kopieren wir nichts bewusst, aber vermutlich ist es schon so, dass man verschiedene Teile unserer Musik bestimmten Bands zuordnen kann.

Welche Rolle spielt dabei für euch die Produktion?

David: Ich denke, das macht unseren Sound relevant für die Gegenwart. Da ich hauptsächlich ältere Musik höre, könnten wir vielleicht Retro klingen, aber durch moderne Produktion und Technik tuen wir das eben nicht. It's the sound of today with the influence of yesterday (lacht).

Ihr produziert also auch selbst?

Matt: Ja, wir mögen diesen Teil des Prozesses wirklich sehr. Das Elektronische und die Synthesizer-Parts werden großteils auch erst ganz am Ende, also sozusagen während der Produktion, geschrieben.

David: Stimmt. Steve mag es, seine Parts erst zu schreiben, während er produziert. Kann natürlich sein, dass sich das in der Zukunft mal ändern wird, ganz einfach deswegen, weil es uns - oder besser gesagt Steve - mehr Freiheiten verschafft, wenn wir mit einem externen Produzenten arbeiten. Ich glaube schon, dass es für ihn stressig ist, zu produzieren und sich gleichzeitig irgendwelche Sachen für die Songs auszudenken. Insofern ist es seine Entscheidung. Natürlich müssten wir aber erstmal einen passenden Produzenten finden.

Wenn man eure Musik zum ersten mal hört - und nicht nur dann - , fällt einem sofort auf, dass sich die Texte doch stark von denen anderer Bands unterscheiden. In eurer Single "Knickerbocker" werden zum Beispiel ständig die Wörter "Vanilla Strawberry Knickerbocker Glory" wiederholt. Was hat es damit auf sich? Welche Rolle spielen die Texte für euch?

David: Es ist nicht so, dass ich bewusst versuche, mich von anderen Textern abzugrenzen. (überlegt) Obwohl, vielleicht versuche ich das sogar. Ich hasse Wörter, bei denen man sofort den nächsten Reim erraten kann. Das langweilt mich irgendwie. Es sind eher so Leute wie Captain Beefheart oder Mark E. Smith, deren Texte mich interessieren. Und ich liebe Wörter, deswegen verwende ich gerne welche, die zuvor noch nie in Songs vorkamen. "love", "the sun is shining", "you've left me", "you've come back", das war ja alles schon so oft da.

Würdest du sagen, dass jeder deiner Texte eine Bedeutung hat?

David: Natürlich habe ich beim Schreiben immer eine Idee, was das eigentlich bedeuten soll. Aber ich verstehe auch, wenn Leute sagen, sie könnten den Texten an bestimmten Stellen nicht folgen, oder wenn es für sie schlicht keinen Sinn ergibt. Ganz einfach deswegen, weil ich keine Geschichten mit linearen Handlungssträngen erzähle. Meistens springe ich in den Texten zwischen verschiedenen Dingen hin und her, so dass es für den Hörer erstmal nicht so einfach nachzuvollziehen ist. Trotzdem ergeben sie - wie gesagt - zumindest für mich schon einen Sinn.

Ich wäre jetzt davon ausgegangen, dass es dir viel mehr um den Rhythmus und die Betonung geht als um die eigentliche Bedeutung.

David: Das ist schon auch richtig. Ich bin nunmal nicht der beste Sänger, was die Melodik angeht. Deswegen versuche ich den Gesang und den Text eher aus einer rhythmischen Sichtweise zu sehen. Und man darf auch nicht vergessen, dass wir kein Buch schreiben wollen, sondern dass wir Musik machen. Dadurch ist es erstmal wichtig, dass es gut klingt. Aber nochmal: trotzdem ergeben die Texte zumindest für mich auch eine Bedeutung.

Wenn du schon sagst, dass du kein guter Sänger bist, stellt sich mir die Frage: Habt ihr schonmal einen Song ausprobiert, bei dem du richtig singst?

David: Nein. Tatsächlich hab ich vor ein paar Jahren Gesangsunterricht genommen, um meine Atmung ein wenig zu verbessern. Meine Lehrerin wollte, dass ich Kopfstimme singe, und ich hätte mich dabei fast umgebracht. Und dann sollte ich was von Curtis Mayfield singen, mir ging aber ständig die Luft aus. Das war natürlich etwas peinlich und deswegen bin ich auch nie mehr hingegangen. Ich hab mit Sicherheit nicht den besten Stimmumfang, aber das ist ja nicht alles. Manchmal kommt es auch mehr auf das Timbre an. Ich denke, das passt bei uns schon ganz gut. Ich werde auch besser (lacht). Aber ehrlich gesagt, versuche ich das gar nicht wirklich. Ich mag es auch, diese Grenzen zu haben. Außerdem können die Melodien auch vom Synthesizer oder vom Bass kommen, muss ja nicht immer der Gesang sein.

Das passt auch insofern gut zur Musik, als dass du den Leuten nichts an die Hand gibst - zum Beispiel eben Melodien, die mitgesungen werden wollen.

David: Also, ich glaube nicht, dass schonmal jemand eine unserer Strophen mitgesungen hat. Auch deswegen, weil niemand den Text kennt. Selbst Steve singt immer alles falsch. Ich denke auch, dass der Gesang in dem Fall "persönlicher" ist. Auch dadurch, dass ich eher flüstere als schreie.

Matt: Ich finde auch, dass der Gesang dadurch intimer ist, wenn man unsere Musik zum Beispiel auf einem iPod hört.

David: Bei Lou Reed hatte ich zum Beispiel immer das Gefühl, dass er eher zum Hörer spricht als dass er singt. Und das mag ich wirklich sehr.

Ich weiß nicht, ob das jetzt peinlich oder auch unverschämt ist, aber ich gebe zu: ich höre eure Musik hauptsächlich beim Joggen.

Matt: Oh, das ist interessant. Aber das haben tatsächlich schon einige Leute gesagt. Wir haben soeben ein Projekt für Nike abgeschlossen. Für deren Serie Nike+ sollten wir ein 34-minütiges Lied schreiben. Ich glaube, wir hatten ungefähr einen Monat Zeit. Nike hatte das Lied auch in fünf Abschnitte eingeteilt und uns gesagt, welcher Abschnitt welches Tempo haben sollte. Das hat echt Spaß gemacht. Vor allem, weil wir das direkt nach dem Album aufgenommen haben und wir uns dabei nochmal ein bisschen ausprobieren konnten. Ich glaube aber, es wird erst nächstes Jahr veröffentlicht. Einer von unserem Label Grönland Records meinte übrigens, dass es gut funktioniert, also dass man gut dazu joggen könne.

Unterscheidet sich diese Musik sehr von dem, was ihr zum Beispiel auf "Lightbulbs" gemacht habt?

David: Schon. Es gibt noch mehr Wiederholungen, nicht so viel Text und es ist - kurz gesagt - weniger songorientiert. Und wie Matt schon meinte, war es für uns nach den Albumaufnahmen befreiend, nochmal etwas anderes zu tun.

Eine letzte Frage hab ich noch: Was hat es mit dem gerollten "R" eigentlich auf sich?

David: Das ist eigentlich ganz lustig. Anfangs war das eher eine Hommage an die Dexys Midnight Runners (britische Band, die vor allem in den 80ern erfolgreich war, Anm. d. Autors). "Come On Eileen" kennst du? Der Sänger hat das "R" auch immer so gerollt und ich fand das irgendwie cool. Manche Leute können das auch gar nicht, deswegen ist es schon ne Sache, mit der man angeben kann. Und tatsächlich kann ich damit auch nicht mehr aufhören. Vor ein paar Tagen habe ich sogar bei Wörtern "gerollt", in denen noch nicht mal ein "R" vorkam. Das sind dann eben gerollte "T"s oder so (lacht).

Eine Sache noch. Ihr seid ja bei Grönland Records unter Vertrag, habt ihr Herbert Grönemeyer schonmal getroffen?

David: Nein, leider nicht. Aber Michael Rother von Neu! wird heute hoffentlich zum Konzert gekommen und vielleicht treffen wir ihn sogar. Das fände ich sehr spannend.

Matthias Kümpflein

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Rezension zu "Fujiya & Miyagi" (2017)
Rezension zu "Artificial Sweeteners" (2014)
Rezension zu "Ventriloquizzing" (2011)
Rezension zu "Light Bulbs" (2008)
Rezension zu "Transparent Things" (2007)

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