Rezension

Eels

Tomorrow Morning


Highlights: Spectacular Girl // Baby Loves Me // Looking Up
Genre: Singer-Songwriter
Sounds Like: Beck // Bright Eyes

VÖ: 20.08.2010

Und dann ist da dieses Lächeln. Wenn eine Freundin nach drei gescheiterten Anläufen doch noch durch die Prüfung gekommen ist. Wenn die böse Krankheit einer Verwandten überraschend besiegt wurde. Wenn der beste Freund erzählt, dass er endlich über seine verflossene Liebe hinweg ist. Diese ganz spezielle Freude, dass es der anderen Person besser geht. Genau dieses Gefühl dürfte jeder Eels-Fan nach dem Hören von „Tomorrow Morning“ haben.

Mark Oliver Everett scheint wieder mit der Welt im Reinen, beautiful and free, wie er gleich zum Auftakt in „I’m A Hummingbird“ singt, reich an den schmerzhaften, aber dadurch wertvollen Erfahrungen, die ihn erst zum federleichten Kolibri gemacht haben. „Tomorrow Morning“ ist der leichtfüßige Abschluss einer Trilogie, die vor 15 Monaten mit „Hombre Lobo“ nachdenklich begann und im Januar mit „End Times“ ihren traurigen, verzweifelten Höhepunkt fand.

Um die Veränderung zu bemerken, reicht ein Blick auf die Titelliste. „The Morning“, „Baby Loves Me“, „This Is Where It Gets Good“, „After The Earthquake“, „Looking Up“ und „I Like The Way This Is Going“ könnten bloß beim größten Zyniker den Gedanken an ein weiteres Werk voller trauernder Verarbeitung verlorener Liebe hervorrufen. Und war „End Times“ noch geprägt von schweren Melodien und einigen wenigen Blues-Rock-Nummern, spielt Everett auf „Tomorrow Morning“ mit elektronischen Elementen, Stimmverzerrern, angenehmen Beats und wirkt dabei mehr denn je wie sein Kollege Beck.

Perfekt umgesetzt wird dieser Stil in „Baby Loves Me“ mit kleinen Frickeleien im Hintergrund, dem fast schon gebrüllten Titel, den mehr gesprochen als gesungenen Strophen und kurzen Pausen, die ein abruptes Songende vermuten lassen und sich doch bloß als Finte entpuppen. Ein wunderschönes Zusammenspiel aus Melodie, Gesang und Beats ist „Spectacular Girl“, ein ruhiger, sonniger Song, den man nicht lieben kann, sondern lieben muss, der für Stunden auf Repeat laufen kann, der auch dann noch das gleiche wohlige Gefühl entfacht und den man nie wieder gehen lassen möchte. Eben wie ein spektakuläres Mädchen, in das man sich verliebt hat.

Everett scheint nicht nur glücklich, er ist auch dankbar über die Veränderungen in seinem Leben, wie die Zeilen aus „Oh So Lovely“ verraten, wenn er singt Oh So Lovely / Lord Above Me / I Feel My Heart Changing In Mysterious Ways, um zwei Titel später mit einer Art Gospelsong namens „Looking Up“ noch einmal nachzulegen. Everett singt vor, ein Chor wiederholt seine Worte und vor dem geistigen Auge klatscht eine ganze Gemeinde im flotten Takt mit.

„Tomorrow Morning“ ist eine ganz andere Platte geworden, als dies nach „End Times“ zu erwarten war. Aber Mark Oliver Everett hat damit etwas geschafft, was nur wenige Künstler vor ihm geschafft haben: Zwei aufeinander folgende Alben aufzunehmen, die sich musikalisch wie inhaltlich komplett widersprechen und dennoch authentisch wirken. Und das Beste ist: die positiv gestimmte Platte ist die neueste. Dazu kann man Everett nur gratulieren.

Martin Korbach

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