Rezension

Bright Eyes

I'm Wide Awake, It's Morning


Highlights:
Genre: Folk
Sounds Like: Bob Dylan // Ryan Adams // Songs: Ohia // Neil Young // Nick Drake

VÖ: 24.01.2005

Hier ist er wieder. Das Wunderkind. Die Rettung des dylanesken Songwritertums. Das Sensibelchen mit der Intensität des Kurt Cobain. Die Stimme der jetzigen Generation.

Herr Oberst kommt sich mittlerweile selbst etwas komisch vor. Gestern noch das unbeachtete Talent aus Omaha, heute die Speerspitze der amerikanischen Musikliga. Müsste der Junge nicht größenwahnsinnig werden? Aber anstatt in höhere Sphären abzudriften, veröffentlicht der Workaholic, der mittlerweile seine Zelte in New York aufgeschlagen hat, zwei neue Alben und zeigt, dass er nur eines im Sinn hat: Musik.

Hier ist sie also. Die Folkplatte. Das angekündigte Wunderwerk. Die epischen, teils sinfonischen Lieder, die „Lifted“ zu einem so großartigen Husarenritt machten, weichen auf „I´m wide awake, it´s mourning“ leichter verdaulichen Country-Folksongs, die sich an amerikanischen Songwritertraditionen orientieren. Leichter verdaulich jedoch in Anführungszeichen, denn die Ausdruckskraft und Eindringlichkeit, die Conor Oberst wie kein zweiter in musikalische Formen einbetten kann, sind immer noch essentiell für seinen musikalischen Output.

Mit von der Partie sind diesmal nicht nur Mitglieder der mittlerweile international bekannten und geschätzten Bands aus Omaha, wie etwa Now It's Overhead, Azure Ray oder Cursive, sondern auch auf Wunsch von Conor Oberst, Emmylou Harris, die als perfekte Duettpartnerin glänzt. Bei "We are nowhere and it’s now" versüßt sie zum Beispiel durch ihre besonders ausdrucksstarke Stimme den sowieso schon dahingleitenden, melodieseligen Refrain. Es war demnach eine gute Wahl, die Grande Dame des Country und Folk als Gastvokalistin zu engagieren.

Das bereits als Single erschienene „Lua" ist eines dieser zerbrechlichen Lieder, bei denen man den jungen Liedermacher vor sich sieht, wie er allein in einer kleinen Blockhütte seine akustische Gitarre vorsichtig anschlägt und mit seinem unachahmlichen Gesang sein Herz ausschüttet. Zwischendurch nippelt er an einem wohl gefüllten Rotweinglas und fragt sich dabei:„ If you hate the taste of wine, why do you drink it ‘til you’re blind“. Tja, das wird nur er beantworten können.

Weiter geht’s mit dem wunderbaren „First da of my life“, das ein Bob Dylan auch nicht besser hinbekommen hätte oder dem „Another travellin`song“, der das Tempo forciert und mit einer ungemein eingängigen Hookline aufwartet. Der „Land locked blues“ ist noch mal so ein herzzereißendes Stück Musik, bei dem Conor und Emmylou zaghaft ins Mikro hauchen und der Eindruck entsteht, man sei ein Voyeur, der die intime Atmosphäre der beiden stört. Jetzt bloß nicht räuspern.

Den krönenden Abschluss bildet, dass mit sperrigen Momenten versehene „Road to joy“, welches in Bezug auf die Melodieführung an Beethovens „Ode an die Freude“ angelehnt ist. Dem Aufruf „let´s make some noise“ wird prompt Folge geleistet, indem das Aufgebot an Studiomusikern ein Freudenfest zum Wohle des Kraches abhält. Und auf einmal herrscht Stille. Repeat.

Conor Oberst hat sich mit diesem Album selbst ein kleines Denkmal gesetzt. Man kann nur hoffen, dass noch sehr viele mehr dazu kommen werden. Dass das Potential dazu in ihm ruht, hat er mit „I´m wide awake, it´s mourning“ mehr als nur bewiesen. Jetzt darf er aber erst mal sein Rotweinglas austrinken und sich in seiner Blockhütte am Kaminfeuer wärmen. Knister, knister, knister.

Carsten Roth

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