Interview
Frightened Rabbit
Hi Scott, gut, mit dir zu sprechen. Eigentlich wollte ich fragen, wie das Wetter bei euch in Schottland ist, aber ich hab gesehen, dass du vorhin etwas auf instagr.am gepostet hast. Ich kenn die Antwort also schon. (Scott hat ein Bild von strahlendem Sonnenschein gepostet. Darunter steht "Schreckliches Wetter hier".)
Scott: Yeah... (lacht)
Euer Twitter-Account wird ebenfalls häufig aktualisiert. Es scheint, als sei Frightened Rabbit sehr von Social Media angetan. Gibt es bei euch jemanden, der dafür verantwortlich ist oder kümmert sich die ganze Band darum?
Scott: Hauptsächlich sind das drei von uns: ich, mein Bruder (Schlagzeuger der Band, Anm. d. Autors) und Gordon (Gitarrist und Keyboarder der Band, Anm. d. Autors). Die anderen Jungs interessiert das nicht so. Ich mag diese Art der Verbindung. Weißt du, da draußen sind so viele Bands, die Social Media fast wie eine Beraterfirma managen. Die posten nur Hinweise auf Konzerte, Werbung und so was. Das ist nicht das, wofür es in meinen Augen gemacht ist.
Ihr seht das also weniger als Verpflichtung, sondern eher als Möglichkeit, um mit euren Fans in Verbindung zu bleiben?
Scott: Ja, genau. Ich glaube nicht, dass wir je das Gefühl hatten, dass die absolute Notwendigkeit dazu besteht. Natürlich muss es einen gewissen Grad an Geheimhaltung geben, du willst nicht zuviel preisgeben. Aber es ist wichtig, die Leute einzubeziehen in das, was du machst.
Aber ihr seid euch bewusst, dass ihr manche Sachen besser nicht schreibt...
Scott: Genau. Nach ein paar Drinks ist das mitunter nur nicht mehr so einfach. (lacht)
Verstehe. Ich war zuletzt im November in St. Andrews an der schottischen Ostküste. Eure Dokumentation über eure Highlands-Tour im Herbst hat mich sehr an meinen Aufenthalt erinnert. Aber ich kann mir vorstellen, dass das Leben in den Highlands total anders sein muss als in den Städten wie Edinburgh oder Glasgow, wo ihr lebt. Wie würdest du diese Unterschiede beschreiben? Und wie spiegeln sie sich in der Musik von Frightened Rabbit wider?
Scott: Es ist lustig, dass du St. Andrews erwähnst. Ich habe fast alles für das letzte Album "The Winter of Mixed Drinks" in einem kleinen Ort namens Crail geschrieben. Der ist zehn Meilen von St. Andrews entfernt. Ich habe dort für ein paar Monate an der Küste gelebt. Unsere Musik ist sehr davon beeinflusst, wo wir unsere Songs schreiben. Bei diesem Album (Pedestrian Verse, Anm. d. Autors) sind wir stärker in der Stadt verortet. Den Großteil der Lyrics habe ich in Edinburgh geschrieben. Wenn du über die Highlands-Tour sprichst: Die Leute, die dort leben, sind aufgeregt, wenn du als Band vorbeikommst. Ich denke, gerade in Glasgow sind die Leute dagegen eher verwöhnt. In den Highlands herrscht großer Enthusiasmus und wir hatten das Glück, den als Band zu erfahren.
Eine der Szenen aus der Dokumentation drückt das sehr schön aus. In dem Ort Stornoway baut ihr euer Equipment in einer Art Sporthalle auf und man sieht, wie ihr anschließend auf euren Gig wartet. Da gibt es nichts an Unterhaltung, ihr müsst euch selbst bespaßen...
Scott: Ja, da draußen herrscht ein raues Klima. Die Leute kommen nicht, um Bullshit zu sehen. Du musst dich da echt reinhängen. Eine tolle Erfahrung.
Auf der anderen Seite seid ihr gerade in den Vereinigten Staaten ziemlich etabliert. Euer letztes Album hat es in die Top100 geschafft, eine weitere große Tour habt ihr geplant. Wieso seid ihr dort relativ erfolgreich?
Scott: Ich glaube, wir haben daran hart gearbeitet. Dieses Jahr touren wir zum zwölften Mal in den Staaten. Nicht viele Bands haben die Möglichkeit dazu. Der Standard für britische Bands ist, erst viel in Großbritannien unterwegs zu sein und danach die Staaten zu erobern. Wir haben dagegen beides zugleich gestartet. Wir haben einige miese Touren in den USA erlebt, zu denen niemand gekommen ist, aber irgendwann zahlt es sich aus. Darüber hinaus glaube ich, dass es eine große Zuneigung zu schottischer Musik in den USA gibt. Die Leute dort haben diese romantische Vorstellung von Schottland als einem wunderbar verträumten und wettergeplagten Ort, ein fast cineastisches Bild. Das finden sie in der Musik wieder. Und wenn wir in die USA reisen, dann reist jenes romantische Bild von Schottland immer mit uns mit. Es ist ein großes Privileg, dort arbeiten zu können, denn die Staaten sind einer der Orte, in die wir am liebsten reisen.
Was habt ihr für Ambitionen? Wärt ihr gerne populärer oder seid ihr mit dem derzeitigen Erfolg zufrieden?
Scott: Hmm, in meinen Augen gibt es zwei Haupteinheiten, um Erfolg zu messen. Auf der einen Seite natürlich in Zahlen, wie viele Leute deine Musik hören, wie viele Fans du hast. Damit bin ich voll zufrieden. Auf der anderen Seite, ob du in der Lage bist, dich als Band kreativ weiterzuentwickeln. Wenn wir es schaffen, auf dem derzeitigen Level erfolgreich zu bleiben und uns zugleich vornehmen, mit jeder Platte einen künstlerischen Fortschritt zu produzieren, wäre das schön. Ich bin zufrieden damit, wo wir stehen, wir haben eine Menge erreicht. Aber: Wir sind ambitioniert! Wenn es über diesen Punkt hinausginge, wäre ich nicht unglücklich.
Kannst du uns etwas über "Pedestrian Verse" verraten? Du hast ja schon gesagt, dass die Lyrics zum Großteil in Edinburgh entstanden sind. Aber wie sieht es mit der Musik aus? Wie ist da die Entwicklung gegenüber den letzten Alben?
Scott: Musikalisch gesehen gab es eine Entwicklung in verschiedene Richtungen, vieles davon hinter den Kulissen. Wir haben das erste Mal von Anfang an als fünfköpfige Band zusammen an den Songs geschrieben. Ich würde mich immer noch als Songwriter bezeichnen, aber es ist anders als früher, wo praktisch niemand sonst etwas beigesteuert hat. Nachdem ich beispielsweise die zwei Monate ganz allein in Crail die Songs geschrieben habe, kam ich zur Band und wir haben das Material eingespielt. Dieses Mal haben wir im Studio in Edinburgh begonnen – zusammen. Ich war die ganze Zeit da und habe immer noch einen Großteil geschrieben, aber ständig ist jemand gekommen und hat etwas beigetragen. Jeder war schon in die Konzeption des Albums involviert. Das war ein großer Unterschied! Ich hatte zuvor das Gefühl gehabt, dass ich mich im Kreis drehe, ich war gelangweilt. Diesmal gibt es eine Menge Details zu entdecken, Vieles, das ich allein so nie komponiert hätte. In der Form ist es eine viel aufregendere, offenere Erfahrung gewesen. Ich würds nie mehr wie bei den vorherigen Alben machen. Das würde in der Form nicht mehr funktionieren.
Also können eure Fans in Zukunft kein weiteres Album in der Form eurer ersten oder zweiten Platte erwarten?
Scott: Ja, es gibt kein Zurück.
Wie sieht's mit Kollaborationen aus? Gibt's vielleicht eine schottische Band, mit der ihr gern zusammenarbeiten würdet? Habt ihr schon mal so was gemacht?
Scott: Ja, haben wir! Beispielsweise bei der Charity-Aktion "The Fruit Tree Foundation". Die hat mich mit großen Songwritern zusammengebracht: Emma Pollock von den Delgados, James Yorkston, Rod Jones von Idlewild. Wir haben zusammen Songs geschrieben und das hat mir einen ganz neuen Pfad eröffnet. In der Folge haben wir zum Beispiel mit der schottischen Folkband Lau zusammengearbeitet; zuletzt auf der EP mit Aidan Moffat von Arab Strap. All diese Leute haben etwas zu sagen. Nur: Zusammenarbeit ist etwas, gegenüber dem ich mich langsam öffne. Als ich jünger war – und vielleicht ein kleines bisschen arroganter (lacht) – hab ich kaum mit jemandem geredet. Jetzt, wo ich etwas älter bin, ist mir bewusst, dass es ein sehr wichtiger Lernprozess ist. Und ich weiß, dass ich noch nicht am Ende des Prozesses bin. Ich bin kein perfekter Songwriter. Ich lerne weiter.
Wenn du dir einen Musiker oder eine Band zur Zusammenarbeit aussuchen könntest, wer wäre das?
Scott: Ich würde liebend gern mit Jeff Tweedy von Wilco beziehungsweise mit Wilco als Band zusammenarbeiten. "Yankee Hotel Foxtrot" (Wilco-Album von 2002, Anm. d. Autors) ist für mich vermutlich das beste Album aller Zeiten. Wenn das je zustande käme, wäre das für mich wahrscheinlich der Zeitpunkt zum Aufhören. Besser könnte es dann nicht mehr werden.
Hehe. Eine letzte Frage noch: Was ist für dich persönlich der größte Song auf "Pedestrian Verse"?
Scott: Wenn ich einen wählen müsste, dann wäre das "Nitrous Gas". Ich glaube, das ist Song Nummer zehn. Das ist der letzte Song, der geschrieben wurde, und der fühlt sich schon deshalb besonders an. Wenn ich den höre oder spiele, dann kann ich wirklich die Zeit fühlen, über die er geschrieben ist – eine Zeit, die für mich interessant war und an die ich mich gerne zurückerinnere. Ich führe das jetzt nicht weiter aus, aber doch... der Song bedeutet mir eine Menge.
Scott, vielen Dank für das Interview!
Lesen
Rezension zu "Pedestrian Verse" (2013)
Rezension zu "The Winter Of Mixed Drinks" (2010)
Interview (2016)
Interview (2010)
Konzertbericht (2010)
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