Rezension

Thrice

The Alchemy Index: Vols. III and IV - Air and Earth


Highlights: Daedalus // As The Crow Flies // Moving Mountains // Come All You Weary
Genre: Prog-Rock // Post-Rock // Post-Core
Sounds Like: Thursday // Circa Survive // Mogwai // Jeff Buckley // Elliot Smith

VÖ: 18.04.2008

Und jetzt sind sie doch vorbei, die dreieinhalb Monate nach der Veröffentlichung der ersten Konzepthälfte von „The Alchemy Index“, diesem größenwahnsinnigen Projekt, ersonnen an einer Weggabelung der Ungewissheit. „Fire“ und „Water“ sorgten für Überraschungen, weil die werte Hörerschaft überhaupt erst einmal diesen Schritt nach draußen, dieses Loslassen von genormter Veröffentlichungspraxis und bisheriger Banddiskografie verdauen musste. Bei System Of A Down's Doppelschlag kannte man nach „Mesmerize“ die Regeln, nach denen ihre Songs funktionieren, so dass „Hypnotize“ wenig Neues brachte. Nicht so hier.

Dem einheitlichen „Water“-Teil folgt mit „Air“ das Heterogenste und Weitläufigste, was Thrice bislang auf Band gebracht haben. Der Beginn mit „Broken Lungs“ geht über das sanfte Dahingleiten einer Feder im Wind über zum Frontalflug durch das Auge des Tornados, und man wird Zeuge vernichtender Gewalt, kann sich dafür für den Rest der Reise in Sicherheit wiegen – denn es ist das letzte Mal in ihrem Opus, dass Thrice brutal werden. Unter den anderen fünf Tracks von „Air“ finden sich clevere Up-Tempo-Spielereien („The Sky Is Falling“) sowie in schwindelerregender Höhe elektrisierte Akustikzupfer („As The Crow Flies“). Die Postmoderne macht's vor: Anything goes. Dass Dustin Kensrue auch sonst ein einzigartiger Literat und Lyriker ist, zeigt sich, wenn er sich im organischsten und überwältigendsten Track von „Air“, „Daedalus“, in die Rolle eben jenes mythischen Erfinders versetzt, dessen Sohn Icarus mit seinen selbst gebauten Flügeln der Sonne zu nah kam und im Streben nach Freiheit in den Tod stürzte. „Oh gods. Why is this happening to me? You took the only thing that meant anything to me. I'll never fly again.“ Im „Air“ beschließenden Sonett „Silver Wings“ wählt Kensrue dann die Stimme der Luft selbst, welche nicht verstehen kann, warum sie - Leben spendend -, weitaus mehr verflucht als angepriesen wird.

Wie klingt nun „Earth“? Wie eine Lawine? Eine einstürzende Höhle? Nein, sie klingt genau wie der Moment danach. Es zeigt die Band von ihrer verletzlichsten Seite, reduziert auf wenige Akustikgitarren und ein Klavier. Ob bluesig („Moving Mountains“) oder mystisch-düster („The Lion And The Wolf“), wieder ist diese Band so dermaßen authentisch, dass man heulen möchte. Darf man dann auch an der Schulter des Protagonisten des überwältigend mächtigen „Come All You Weary“, das dann doch nicht ohne Schlagzeug und E-Gitarre auskommt. „Come all you weary, you crippled , you lame. I'll help you along, you can lay down your canes“. Und mit „The Earth Isn't Humming“ hat es sogar ein Cover auf „The Alchemy Index“ geschafft. Dass das Original dieses staubigen dumpfen Düsterbrockens von den Post-Corelern Frodus stammt, verheimlichen uns Thrice dann auch nicht, sondern vermerken es ausdrücklich im stimmig gestalteten Booklet. Vorbildlich. Wehmütig beendet dann die Stimme der Erde in „Child Of Dust“ endgültig das Werk, indem sie sich über ihre rücksichtslose Verschandelung entrüstet zeigt und daher beginnt, den Menschen nach und nach unter Geröll zu begraben. Die Stimmen von oben werden leiser, schon bald sind sie nicht mehr zu hören. Ende.

Bald wird diskutiert werden, welches die beste EP aus „The Alchemy Index“ ist. Das Ergebnis wird so unterschiedlich sein, wie seine einzelnen Bestandteile. Dass Thrice rein numerisch mit 24 Songs ein Doppelalbum aufgenommen haben, das auch nicht einen nur durchschnittlichen Track beinhaltet, sei hier nur mal am Rande erwähnt, denn „The Alchemy Index“ funktioniert sowohl als Gesamtkunstwerk als auch individuell. „Von hier aus können wir praktisch in jede Richtung weitergehen. Ich glaube aber nicht, dass irgendjemand weiß, was als nächstes kommt“ sagt Dustin Kensrue zur Ausgangsposition seiner Band. Wohin es auch geht, dass jetzt nochmal einer draufgesetzt wird, ist kaum zu glauben. Letztes Mal dachten das aber auch alle.

Gordon Barnard

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