Rezension

Shearwater

Jet Plane And Oxbow


Highlights: Quiet Americans // Backchannels // Filaments
Genre: Indierock // 80ies-Pop
Sounds Like: Talking Heads // Mark Hollis // David Bowie

VÖ: 22.01.2016

Ließe man jemanden, der die Band zuvor nicht kannte, eines der frühen Werke und im Anschluss das aktuelle Album „Jet Plane And Oxbow“ anhören, er könnte sicher nicht glauben, dass es sich in beiden Fällen um ein und dieselbe Band, um Shearwater, handelt.

Die Entwicklung Richtung veritablem Indierock, die sich ab „Rook“ andeutete und spätestens mit „Animal Joy“ eindeutig wurde, findet nun eine sehr lautstarke Fortsetzung. Wem „Animal Joy“ gar zu rockig wurde, kann sich aber freuen, dass der Shearwater-typische Glockensound in Form von Instrumenten wie dem Dulcimer teilweise zurückgekehrt ist.

Die überwältigende Zartheit von Songs wie „Nobody“ (Palo Santo), die Zerbrechlichkeit à la „Mulholland“ (The Dissolving Room), die den Beginn von Shearwater im Vergleich zu einer Menge Slowcore-Indiegedöns so besonders gemacht hat, findet sich nur noch selten wieder auf dem Album. Beispiele sind Stücke wie das wehmütige „Backchannels“ oder der ruhige Folkpop von „Only Child“. Insgesamt ist Jonathan Meiburgs neues Album sowohl textlich als auch musikalisch eine sehr persönliche, wütende letzte Abrechnung geworden mit einem Heimatland, den USA, mit dem ihn eine Hassliebe verbindet. Und das hört man.

Stärker als je zuvor schöpft dieser fantastische Sänger aus dem Vollen, singt teilweise kaum noch, sondern ruft regelrecht gellend seinen Frust ins Mikrofon, „so tired of the country“ („Pal Kings“)! Trotz auch etwas weniger spannend klingender Lieder (beispielsweise „Glass Bones“ oder „Wildlife in America“) lohnt sich wegen intensiver, aussagekräftiger Texte durchweg das Zuhören.

Zudem bringen Shearwater viel mehr elektronische Elemente in ihre Musik ein, mit oft gleichförmigen, hypnotischen Beats und Drums („Filaments“). Die Abwesenheit von Überschlagzeuger Thor Harris fällt hier besonders auf, macht aber Sinn in Bezug auf den Charakter der Platte. Die starke Anlehnung an die Musik der frühen 80er hat bisweilen bowie-eske Züge („Quiet Americans“), und ein größeres Kompliment kann man derzeit kaum machen. Das Gesamtpaket ist entsprechend ein komplexes Album, und wer möchte, kann sogar etwas Springsteen heraushören („Radio Silence“).

Shearwater und auch speziell Meiburg als Sänger klingen nun musikalisch sehr, sehr anders als in ihren Anfängen und das erzeugt bisweilen etwas Wehmut, doch schlechter sind die Band und ihr Frontmann durch ihre fortlaufenden Veränderungen nicht geworden, nur wandlungsfähiger:

Zu Shearwater kann man jetzt sogar tanzen!

Nicola Krieghoff

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