Rezension

Shearwater

Rook


Highlights: On The Death Of The Waters // Leviathan, Bound // Home Life // The Snow Leopard
Genre: Slowcore // Indie
Sounds Like: Okkervil River // Jeff Buckley // Songs:Ohia

VÖ: 06.06.2008

„Shearwater? Das ist doch diese ruhige Version von Okkervil River.“
Wie oft hat sich Jonathan Meiburg wohl diesen Vergleich anhören müssen? Wahrscheinlich so häufig, dass er endlich das einzig Richtige getan und sich nun voll und ganz Shearwater verschrieben hat. Auch Okkervil-River-Kopf Will Sheff hat die Zeichen der Zeit erkannt und lässt Meiburg nun alleine die Zügel einer Band führen, die endlich bereit scheint, auf eigenen Füßen zu stehen. Schon beim Vorgänger „Palo Santo“ hat sich die Trennung von Hauptband und Ziehkind angebahnt, nachdem zum ersten Mal auch mehr Menschen als nur eine Handvoll Kritiker von Shearwater Wind bekommen hatten.

Die Reifeprüfung verstört zuerst einmal durch das Cover. Eine Gestalt, die quasi nur aus Krähen zu bestehen scheint, posiert vor einer kargen Landschaft aus Wasser und Fels. Die Krähen als Symbol des Todes vereinnahmen den Menschen, machen seine Existenz zu der eines allen Leben vernichtendes Wesen. Shearwater lieben das surreale Bild eines Weltendes und das führen sie in gewisser Weise auch in ihren Texten weiter. Diese handeln nämlich vom Leben und (vor allem) Tod der Pop-Ikone Nico, die durch ihren Gastauftritt bei The Velvet Underground wohl jedem bekannt sein dürfte.

Klingt alles sehr morbide und echte Sonnenscheinkinder dürften wohl auch nie Freude an Shearwater empfinden. Was diese Band aber so unglaublich einzigartig macht, ist die Fähigkeit, trotz ihrer schonungslos verbreitenden Traurigkeit doch ein Gefühl von Trost und Wohlbehagen zu hinterlassen. Die Musik von Shearwater reißt erbarmungslos alte Wunden auf, klebt aber gleich wieder ein dickes Pflaster drauf. Seelenstriptease für den Eigengebrauch.

Woher Shearwater immer wieder diese Opener nehmen, wäre auch mal eine gute Frage. Nach „A Hush“ und „La Dame Et La Licorne“ gibt es mit „On The Death Of The Waters“ schon den dritten hochkarätigen Einstieg mit Gänsehaut erzeugenden Substanzen. In Mark-Hollis-Manier leidet sich Meiburg durch die Strophen, bis dann endlich der erlösende Ausbruch kommt und wie ein gewaltiger Sturm alle Zweifel und jegliches Selbstmitleid hinweg fegt. Allgemein scheinen bei den ruhigen Songs Talk Talk mehr als nur einmal Pate zu stehen. „Leviathan, Bound“ entwaffnet mit seinen Streichern und diesem unglaublichen Refrain, „I Was A Cloud“ ist mit seinen Klaviertropfen so ruhig, wie ein Song nur ruhig sein kann und das siebenminütige „Home Life“ ist einfach nur so wunderschön komponiert, dass hier die passenden Worte dafür fehlen.

An Tempo mangelt es „Rook“ ebenfalls nicht. Der Titelsong und „Century Eyes“ sorgen schon dafür, dass man zwar nicht unbedingt die Tanzschuhe auspackt, aber eingeschlafene Füße hören sich auch anders an. Wenn dann noch mit „The Snow Leopard“ das wohl beste Radiohead-Zitat seit langer Zeit geboten wird, kann man eigentlich schon von einer fast perfekten Platte sprechen. Leider verblassen „Lost Boys“, „South Col“ und „The Hunter´s Star“ aber gegenüber der Genialität der restlichen Songs etwas. Dennoch muss man von einem mehr als nur gelungenen Einstand als gänzlich eigenständige Band sprechen.
Sind Okkervil River nicht diese lautere Version von Shearwater?

Benjamin Köhler

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