Rezension

Run The Jewels

Run The Jewels 2


Highlights: Blockbuster Night Part 1 // Close Your Eyes // Lie, Cheat, Steal // Crown
Genre: Hiphop // Crossover
Sounds Like: El-P // Killer Mike // Public Enemy // Death Grips

VÖ: 07.11.2014

„Rap is CNN for black people“. Ferner könnte dieser oft zitierte Satz von Chuck D im Jahr 2014 nicht von der Realität entfernt sein. Während in Ferguson, Missouri, aufgrund des nicht geahndeten Mords an einem schwarzen Jugendlichen durch die Polizei Steine fliegen, beherrschen Ärsche, Turnschuh-Fetischismus und Molly die Charts. Rap als schwarzes CNN? Eher ein grellbuntes TMZ. Natürlich ist die Vereinnahmung der einst rebellischen Jugendkultur durch kapitalistische Marktstrukturen kein rezentes Phänomen, schließlich basiert der Großteil des Gangster-Rap der Neunziger auf einem übersteuerten Materialismus. Doch so entfremdet wie heute haben die aufgemotzten Prunkschlitten und diamantenbesetzten Zehn-Kilo-Ketten der Stars nie von der Realität, in der alleine die falsche Hautfarbe eine nervöse Kugel abkriegt, gewirkt. Zum Glück veröffentlichen Run The Jewels 2014 ein neues Album.

Doch das Duo jetzt zu den Verteidigern der Armen und Schwachen hochzustilisieren, wäre falsch. Run The Jewels sind immer noch Killer Mike und El-P. Schwarz und weiß. Eine Zwei-Mann-Armee im Kampf. Nicht nur gegen Ungerechtigkeiten, sondern gegen die gesamte Welt. Hier gibt es keine Kinderchöre, kein Händereichen über Gräben hinweg und kein Beten für eine bessere Erde. Nur zwei wütende Männer, die gegen ihre Ohnmacht laut über noch lautere Beats anschreien. Die provozieren und verstören mit einer Dringlichkeit, dass man unmöglich weghören kann.

El-P führt hier seinen Produktionsstil, den er spätestens mit „Cancer 4 Cure“ gefunden hat, konsequent fort und bastelt Beats, die gleichzeitig sperrig und aufputschend sind. RTJ2 ist das seltene Hiphop-Album, das sowohl auf Platte als auch live funktioniert. Die Beats sind basslastig, laut, fies, elektronisch, ohne jemals ins Technoide abzudriften. Zeitlupentempi? Minimalismus? Instrumentaler Bombast? Keine Zugeständnisse an Trends. Auch veröffentlichungstechnisch sind Run The Jewels nicht bereit, Kompromisse einzugehen. RTJ2 erscheint auf dem Indie-Label Mass Appeal von Nas und bleibt trotzdem wie der Vorgänger eine Gratisveröffentlichung.

Gerade Mainstreamhörer werden sich an den Songs, die sich nur selten auf konventionelle Strophe-Refrain-Strophe-Strukturen verlassen, stoßen. Hier geht es weniger um eine Ohrwurmtauglichkeit als um eine möglichst brachiale Wirkung. So reißt der Break in „Blockbuster Night Part 1“ ganze Häuserblocks ein. Und selbst wenn Run The Jewels wie in „Lie, Cheat, Steal“ oder „Love Again“ einen konventionellen Refrain anstimmen, ist es keiner, den sittsame Familien im Nachmittagsradio mitsummen würden. Am eindrucksvollsten und zugänglichsten bleibt die im Vorhinein veröffentlichte Crossover-Single „Close Your Yes“ mit Zack de la Rocha von Rage Against The Machine, der trotz seiner typischen kratzigen Überbetonung erstaunlich bedrohlich und unpeinlich rüberkommt. Auch zeigt dieser Song, dass sich Run The Jewels in kein Genrekorsett zwängen lassen.

Während sich andere an den Extremen Backpacker und Gangster positionieren, setzen sich Killer Mike und El-P hier zwischen sämtliche Stühle, rütteln auf, schöpfen aus der Vergangenheit und sind doch zu keiner Zeit nur Nostalgiker, die einer verflossenen goldenen Ära nachtrauern. RTJ2 ist das wichtigste Statement, das der US-Hiphop in diesem verkorksten Jahr machen konnte.

Yves Weber

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