Rezension

Run The Jewels

RTJ3


Highlights: Talk To Me // Legend Has It // Everybody Stay Calm
Genre: Hip Hop
Sounds Like: Public Enemy // Danny Brown // Death Grips

VÖ: 13.01.2017

Es ist ihnen wohl einfach scheißegal. Während andere ihre Veröffentlichungen strategisch sinnvoll platzieren, um sich entweder für Jahresbestenlisten zu qualifizieren (Spätsommer) oder prall gefüllte Geldbeutel zu schröpfen (Herbst), verschenken Run The Jewels ihr drittes selbstbetiteltes Album an Weihnachten. Sicherlich eine gute Tat im Sinne der christlichen Nächstenliebe, jedoch auch ein marketingtechnisches Debakel, schließlich erscheint das Album in einer Zeit der musikalischen Ödnis, die höchstens schludrig zusammengezimmerte Weihnachtscompilations des Teufelsgeigers André Rieu gebiert und in der die Musikindustrie sich ihre wieder etwas schmaler gewordenen Bäuche streichelt.

El-P und Killer Mike wären nicht Run The Jewels, wenn sie nicht trotzdem Hass und Zerstörung am Tag der Besinnlichkeit und misslungenen Geschenke säen würden. Am Rezept hat sich kaum was geändert: Immer noch keifen die beiden gegen sämtliche Ungerechtigkeiten der Welt an. Und das ist auch angesichts der Wahl von Donald Trump als US-Präsident und anhaltender Polizeigewalt gegen Schwarze vollkommen gerechtfertigt. Doch Run The Jewels sind nicht bloß Social Justice Warriors, sondern können glücklicherweise auch eine wüste Abrissparty schmeißen. Die Beats stehen immer noch auf Konfrontationskurs und brodeln bedrohlich wie auf „Talk To Me“ oder futuristisch wie auf „Everybody Stay Calm“. Dabei sind die beiden nie rückwärtsgewandt und sehnen sich nach längst vergangenen goldenen Hip-Hop-Zeiten und genau hier könnte die Schwäche von RTJ3 liegen: Alles ist fantastisch produziert und State of the Art, gleichzeitig klingen einige Beats jetzt schon so, als würden sie schlecht altern. Hierzu gehören die an Missy Elliott erinnernde Sci-Fi-Paranoia von „Call Ticketron“ oder die lächerlich anmutende Trap-HiHat-Orgie auf „Stay Gold“. Doch das sind im Rahmen der immer noch verdammt gut geölten Dampfmaschine nur kleine Randnotizen, die einfach weggewalzt werden. Spätestens wenn „A Report To The Shareholders / Kill Your Masters“ dem Zuhörer noch mal unterstützt durch Zack de La Rocha griffige Slogans um die Ohren prügelt, ist solcher Produktionsfirlefanz eh zweitrangig.

Egal, ob man nun dieses Album als das letzte großartige des alten oder den ersten Volltreffer des neuen Jahres bezeichnen will, RTJ3 ist wichtig und das unabhängig von Jahreszahlen. Natürlich fehlt dieser Veröffentlichung die ganz große Durchschlagskraft und Dringlichkeit des unerreichbaren Vorgängers. Doch in Zeiten, in denen überteuerte Streetwear und dabbende Volltrottel das Hip-Hop-Game definieren, zeigt RTJ3, worum es eigentlich gehen sollte.

Yves Weber

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