Interview

The Wave Pictures


The Wave Pictures gehören zu unseren neuen Lieblingen. Klar, dass ein Interview da nicht fehlen darf. Während wir im Vorfeld ihres Gigs in Freiburg auf das Essen warten, übernimmt dabei hauptsächlich Sänger David Tattersall das Kommando und lässt Bassist Franic Rozycki nur wenig und Drummer Jonny Helm gar nicht zu Wort kommen. Als Special Guest beobachtet André Herman Düne das Geschehen und eine Band, die genauso sympathisch-nerdig daher kommt, wie sie auf "Instant Coffee Baby" klingt.

The Wave Pictures gibt es jetzt schon seit sechs Jahren in dieser Zusammensetzung. Ihr habt zwar ein paar Homerecording-Alben gemacht, aber euer richtiges Debütalbum ist erst jetzt raus gekommen. Warum hat das bei euch so lange gedauert?

David Tattersall: Ich weiß auch nicht. Wir haben irgendwie einfach keine Angebote von Labels bekommen. In der Hinsicht müssen wir aber auch gestehen, dass wir nicht sonderlich viele Demos an Plattenfirmen verschickt und nur wenige Konzerte gespielt haben. Wir hatten auch nicht so viel Zeit, uns auf unsere Karriere zu konzentrieren, weil wir zur Schule gingen und es uns wichtig war, einen Abschluss in der Tasche zu haben. Irgendwann hat schließlich jemand ein Demo von uns an Antony von Smoking Gun Records geschickt. Der hat mit uns dann unser eigentliches Debütalbum, nämlich "Sophie" aufgenommen, das aber nur in England erhältlich war. Ein Jahr später hat uns dann Moshi Moshi Records gesigned, worauf "Instant Coffee Baby" entstanden ist. Und jetzt sitzen wir hier.

War es für euch einfacher, in einem professionellen Studio aufzunehmen, oder befriedigte es euch mehr, alles auf eigene Faust aufzunehmen und zu produzieren?

Franic Rozycki: Ich finde, beides hat Vor- und Nachteile. Ich mag den schnellen Aufnahmeprozess im Studio, aber auch das Rumgestümpere in den eigenen vier Wänden.

David: Im Prinzip ist es so, wie du es ausgedrückt hast. Im Studio geht alles viel schneller und einfacher, aber zuhause befriedigt dich der Aufnahmeprozess mehr, weil du doch irgendwo im Hinterkopf hast, dass unter dem Strich alles allein durch dich entstanden ist. Unser Studio war jetzt aber auch nicht so groß und ultramodern. Ein Stück Homerecording-Gefühl ist da immer mitgeschwungen.

Für mich klingt eure Musik wie ein Mix aus 60s Rock ´n Roll und der Beatmusik der 50er, und ich denke, ich bin da sicher nicht der Einzige. Stört es euch manchmal, automatisch in diese Retro-Ecke gesteckt zu werden?

David: Ach, die meisten Bands, die ich gerne höre, haben diesen Sound der 50er und 60er, daher stört mich das überhaupt nicht. Ich mag nur dieses Wort "Retro" nicht. Es klingt so langweilig...als ob die Musik langweilig wäre. Was meinst du denn, Franic?

Franic: Ich wusste nicht einmal, dass wir retro sind (alles lacht)

Hier in Deutschland wird alles gleich als "retro" bezeichnet, was vor den 90ern geschehen ist.

Franic: Na, dann klingen wir in musikalischer Hinsicht natürlich retro. Das stört mich dann auch nicht, so lange wir Erinnerungen an Bands hervorrufen, die wir auch leiden können. Wenn David Bowie aber auch retro ist, würde mich das stören! Den hassen wir.

Ihr hasst David Bowie???

Franic: Ja, einfach furchtbar der Typ. Völlig übertriebenes Getue und dann diese schmalzigen Songs. Das hält doch kein Mensch aus!

Ok...lassen wir das...
Beim Hören eures Albums dachte ich mir, wenn "Instant Coffee Baby" vor acht Jahren veröffentlicht worden wäre, als The Strokes und Franz Ferdinand dieses große, Achtung!, "Retro-Comeback" losgetreten haben, wärt ihr mittlerweile vielleicht ähnlich berühmt wie diese beiden Bands. Habt ihr darüber mal nachgedacht?

David: Ja, denn eigentlich klangen wir schon vor diesen Bands wie diese, nur hat uns niemand gehört (lacht) Nein, im Ernst... keiner kann so genau sagen, ob wir heute genauso berühmt wären, wenn wir auf dem Höhepunkt des Hypes angefangen hätten. Auch klingen The Strokes und Franz Ferdinand zwar so ähnlich wie wir (sie haben zumindest die gleichen Bands gehört, wie wir auch), aber ihre Musik ist doch rauer und lauter als unsere. Ziemlich nervig eigentlich.

Also hasst ihr diese Bands wie David Bowie?

David: Nein, nein, nein... Ich hasse zwar Franz Ferdinand ein wenig, aber The Strokes sind ganz ok. Ich mag es, wenn sie im Radio gespielt werden. Eine gute Jukebox-Band, aber für ihre Alben interessiere ich mich nicht. Jedenfalls biedern diese beiden Bands sich einfach mehr den Massen an, weshalb ich nicht glaube, dass wir ähnlich erfolgreich wären.

Eure Musik basiert auf einfachen Grundlagen des Rock ´n Roll. Sogar jetzt, da ihr in einem voll ausgestatteten Studio aufnehmen könnt, sind eure Songs sehr reduziert, so dass man immer jedes einzelne Instrument hören kann. Juckt es euch nicht manchmal in den Fingern, über die Stränge zu schlagen und so viel Technologien wie möglich für eure Musik zu nutzen?

David: Mich juckt es andauernd, aber Franic hier lässt mich nicht (lacht). Naja, wir nutzen immerhin ein paar Overdubs und Pro-Tools. Außerdem verändern wir die Tonspuren leicht am Computer. Aber ich bin der Meinung, viele verschiedene Musiktechnologien sollte nur derjenige nutzen, der auch perfekt mit ihnen umgehen kann und wir gehören da garantiert nicht dazu. Wenn ich mal zufällig was neues auf die Reihe bekomme, freu ich mich ja schon wie blöde.

Aber hauptsächlich hindert euch also Franic daran? (alles lacht)

Franic: So ein Blödsinn! Diese Typen versuchen nur, mich wieder anzuschwärzen. Ich mag, was wir tun und deshalb sehe ich halt keinen Grund, irgendwas zu verändern. Das ist alles.

Eure Lyrics sind sehr lustig und charmant. Woher bekommt ihr die Ideen für die Texte und gibt es bestimmte Songwriter, die euch inspirieren?

David: Die Lyrics entstehen eigentlich immer so nebenher und zwar einfach mit der Zielsetzung, lustig zu sein. Eine konkrete Idee steht dahinter eigentlich nie. Deswegen inspirieren uns jetzt auch nicht explizit bestimmte Songwriter. Ich mag zwar Bob Dylan, Bruce Springsteen, Davif Berman (Silver Jews) und Lou Reed, aber deren Texte stellen jetzt keine Grundlage für meinen Songwriting-Prozess dar. Darüber wären die wahrscheinlich auch nicht sonderlich froh (lacht).

(im Hintergrund läuft AC/DC)

Franic: Geil, AC/DC!

Du magst AC/DC?

Franic: Die Alben mit Brian Johnson mochte ich nicht mehr so, aber alles mit Bon Scott ist absolut großartig.

Endlich treffe ich also jemand, der AC/DC mag und sich öffentlich dazu bekennt! Wenn ich das immer erwähne, werde ich ausgelacht.

Franic: Das kann ich total nachvollziehen, aber letztendlich fehlt es diesen Leuten dann einfach an Geschmack (lacht).

Darüber unterhalten wir uns später noch genauer...
Würdet ihr sagen, dass eure Weggefährten wie Darren Hayman, Jeffrey Lewis, The Mountain Goats und Herman Dune auch zu euren Haupteinflüssen gehören?

David: Nein, das würde ich nicht sagen. Diese Künstler machen zwar ähnliche Musik wie wir, aber unsere Einflüsse sind mehr in der Vergangenheit zu finden. Bands wie The Velvet Underground, Creedence Clearwater Revival und Neil Young würde ich da in erster Linie nennen.

Ihr habt aber trotzdem eine ganz besondere Beziehung zu Herman Dune. Ihr habt viele Coverversionen von Songs der jeweils anderen Band gemacht und auch sehr viele Shows zusammen gespielt. Wie entstand denn dieser enge Kontakt?

David: Ich habe André Herman Dune zufällig mal in einem Gitarrenshop getroffen und einfach eine CD der Wave Pictures mitgegeben. Er mochte sie offensichtlich sehr und hat mich gleich einen Tag später kontaktiert und uns aufgefordert, mit seiner Band ein paar Shows zu spielen. Seither werden wir die irgendwie einfach nicht mehr los und sobald einer von uns eine Tour spielt, muss irgendwer der anderen mit dabei sein. Einfach nur noch nervig, wenn du mich fragst (lacht).

André Herman Düne: Pass bloß auf, sonst kannst du das Saxophon nachher alleine spielen!

David: Vielleicht macht Ben das ja.

Klar. Dann sagen wir einfach, heute gibt's ein Freejazz-Set.

David: Yeah, so was wollte ich sowieso immer mal machen.

Ok, bevor wir gleich zu proben anfangen, noch eine Frage. Arbeitet ihr bereits an einer neuen Platte?

David: Seit "Instant Coffee Baby" arbeiten wir sogar gerade an gleich zwei Alben. Einmal als Backing Band für André Herman Düne und Clémence Freschard, die ihr gemeinsames Album im kommenden Januar in UK veröffentlichen werden. Unser eigenes neues Album wird irgendwann im Mai dann auch in UK erscheinen und somit dann auch ziemlich zeitgleich hier in Deutschland. Hoffe ich mal.

Das hoffe ich auch.

Benjamin Köhler

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