Interview

Portugal. The Man


Knust, Hamburg. Ein Interview wie guter Sex: Portugal. The Man geben sich gegenseitig Tiernamen. Zuvor geben uns Bassist Zach Carothers und Keyboarder Ryan Neighbors jedoch Einblicke über Arbeitsweisen und Liveauftritte der produktivsten Band des Planeten.

Hey Jungs, wie geht's euch? Seid ihr müde vom ganzen Touren der letzten Zeit?

Ryan: Gut, aber ich bin heute schon müde.

Zach: Ich auch. Ich habe heute nur anderthalb Stunden geschlafen, aber sowas kommt vor.

Die letzten Jahre habt ihr ja wirklich stets entweder getourt oder ein Album aufgenommen.

Zach: Ja, wir mussten beschäftigt bleiben; wir dachten, etwas zu tun, sei besser als nichts zu tun, weswegen wir immer touren oder im Studio sitzen.

Aber was ihr tut, muss immer mit Musik zu tun haben?

Zach: Ja, auf jeden Fall. Wir tun eigentlich nie was anderes. Nie (lacht).

Ist das nicht schon fast eine Obsession?

Ryan: Ich denke schon (lacht).

Habt ihr auch vor der Band schon immer zu der Sorte Menschen gehört, die immer etwas zu tun haben muss und die sich nie einfach mal entspannen kann?

Zach: Nicht unbedingt, das ist auch nichts, das ich WOLLTE. Ich habe einfach noch nie wirklich viel Freizeit gehabt.

Ryan: Wir hatten immer schon Jobs und haben in Bands gespielt.

Zach: Genau. Wir haben zuhause auch noch viele Freunde, und da gibt's dann auch immer irgendwas, das man zusammen tun muss.

Glaubt ihr, dass eure Musik darunter leiden würde, wenn ihr eine Weile lang aufhörtet, Musik zu machen? Würdet ihr vielleicht den "Flow" verlieren?

Zach: Wahrscheinlich. Es könnte uns auch gut tun, aber ich bezweifle, dass wir jemals überhaupt damit aufhören werden, also werden wir das wohl auch nie herausfinden. Es gibt eine Menge Gründe, warum wir einfach weitermachen müssen. Es macht Spaß und unsere Touren können wir auch nur dadurch finanzieren, dass wir touren. Heute zum Beispiel: Wir haben eine kostenlose, köstliche Mahlzeit bekommen und backstage steht eine Menge kostenloses Bier. Zuhause wiederum verdienen wir kein Geld und wenn ich nach Hause komme, Hunger bekomme und Bier trinken möchte, denke ich: "Scheiße, ich hab' kein Geld. Wo ist der Typ, der mir ein Abendessen und Bier besorgt?" (lacht) Wir haben auch kein eigenes Zuhause, also bleiben wir einfach auf Tour und schlafen in Hotelzimmern.

Heutzutage ist es ja auch nicht mehr allzu gewöhnlich, jedes Jahr ein Album rauszubringen. Steckt soviel Kreativität in euch, die raus muss?

Zach: John ist mehr oder weniger eine Songmaschine. Er zeigt uns einfach etwas, das toll ist, dann denkt Ryan sich dazu einen Keyboardpart und ich mir eine Bassline aus. Wir haben auf jeden Fall eine gute Chemie.

Vor circa 40 Jahren war es ja noch vollkommen normal, jedes Jahr ein Album herauszubringen, oder noch öfter. Die Beatles haben das gemacht, die Stones haben das gemacht...Warum hat sich das nun geändert, so dass ihr, die auch jedes Jahr ein Album herausbringen, schon fast freakig wirken?

Zach: Heutzutage gibt es viel mehr Rollen, die gefüllt werden müssen, und viel mehr Bands. Radio ist nicht mehr das große Ding. Als die Beatles damals in den 60ern in Amerika groß wurden, konnten die Leute nie darauf warten, dass endlich die nächste Beatles-Single im Radio käme. Es wurde weniger getourt, es gab weniger Massenmedien, daher schrieb man eigentlich nur Musik. Jetzt gibt es viel mehr zu tun: Interviews geben, Fotosessions...Heutzutage gibt es viel mehr zu tun.

Aber haben gerade die Massenmedien die Promo-Arbeit nicht erleichtert? Eine Band muss ja nicht mehr überall anwesend sein, um promotet werden zu können.

Zach: Das stimmt. Aber uns gefällt es am besten, das selbst zu übernehmen: Wir bringen ein Album heraus und betouren es intensiv, gleich danach dann wieder ein neues Album und eine neue Tour...Klar, Fernsehen und Internet sind auch wichtig, aber tatsächlich selbst in der Stadt zu sein hält deinen Namen im Kopf der Leute am frischesten. Dafür kommt es natürlich auch oft vor, dass man etwas im Internet sieht und dann denkt "Wow, das sieht cool aus. Oh verdammt, in drei Wochen sind die in meiner Stadt!"

Wenn ihr Musik macht, an einem Album arbeitet oder einfach jammt, habt ihr dann immer ein klares Konzept, wo ihr mit der Musik landen wollt, oder überraschen euch die Ergebnisse manchmal selbst?

Ryan: Beides. Wir haben normalerweise schon eine Idee, wo wir hinwollen, aber dann gibt es immer etwas, das einer von uns spontan machen will, und daher kann man nie voraussehen, wohin es mit unseren Songs gehen wird.

Ich habe nämlich ein Interview zum Release von "Censored Colors" gelesen, in dem ihr meintet, dass ihr simplen, eingängigen Songs niemals mehr so nahe kommen würdet wie auf manchen Songs dieses Albums, aber das sind die Stücke auf "Satanic Satanist" ja noch mehr.

Zach: Ja, stimmt. Ich hab auch keine Ahnung, warum wir das gesagt haben, da wir das schon eine ganze Weile probiert haben. Auf "Censored Colors" haben wir uns zum ersten Mal an solchen Songs versucht und wir haben uns, statt nur auf Riffs, mehr auf Songstrukturen und Akkordfolgen konzentriert. Wir wollten definitiv poppigere Musik schreiben, die weiß, wo sie hinwill. Witzig ist: Viele Leute denken wohl, dass das weniger experimentell sei, aber bei unserem Hintergrund - wirklich merkwürdige Musik spielen - ist es eigentlich experimenteller für uns, ein Pop-Album aufzunehmen. Es ist wohl alles relativ.

Was mich überrascht hat: Ein Freund hat erzählt, dass ihr auf eurer letzten Sommertour - auf der ich euch leider nicht sehen konnte - aus diesen klar strukturierten Popsongs live schon wieder Prog gemacht habt.

Ryan: Ja, das werden wir wohl auch immer weiter tun.

Zach: Stimmt. Oft haben wir solch einen klar aufgebauten Song, aber wenn wir dann üben und uns auf die Tour vorbereiten, mögen wir das nicht mehr und wollen, dass er etwas rockiger wird, etwas merkwürdiger und dass er etwas länger dauert.

Erfüllt es euch also nicht, auf der Bühne einfache Popsongs zu spielen?

Zach: Doch, es macht Spaß, es kommt aber auch immer auf den Song an und fühlt sich bei jedem anders an. Den ersten Song unserer letzten Platte, "People Say", haben wir zum Beispiel genauso wie auf Platte gespielt, weil es sich da gut anfühlt, während wir bei anderen Songs alles geändert haben. Wir mögen die Übungsphase nie so wirklich. Wir gehen ins Studio, nehmen Songs auf und gehen dann auf Tour und spielen sie, ohne sie jemals wirklich länger als eine Woche vor der Tour geübt zu haben.

Das ist lustig, dass du gerade "People Say" erwähnst, weil mein Freund explizit meinte, dass aus diesem Stück wieder ein 12minütiges Progmonster geworden wäre.

Zach: Achso, ja, danach haben wir immer fließende Übergänge gemacht und einfach gejammt. Es sind dann einfach immer zwei Songs, die direkt ineinander übergehen. OK, dann haben wir den also vielleicht auch geändert (lacht). Das waren eigentlich sogar drei Songs, aber bei Stille auf der Bühne fühlen wir uns unwohl - an guten Tagen ist es mehr oder weniger eine Stunde lang nonstop Musik, das mögen wir. Manchmal bekommen wir natürlich schon Durst oder so und pausieren dann kurz, aber am liebsten fügen wir schon soviele Songs wie möglich aneinander.

Da ihr gerade meintet, dass ihr mehr in diese Poprichtung gehen wolltet: Ich weiß ja, dass ihr auch wieder an einem neuen Album arbeitet, das beinahe fertig ist. Bewegt ihr euch da weiter in diese Richtung?

Zach: Nicht wirklich, nein. Wir haben auf "Satanist" viel Elektronik und viele Synthesizer und Drumloops verwendet, und von letzteren benutzen wir auf dem neuen Album wirklich sehr, sehr viel. Es wird auf jeden Fall wieder sehr viel weirder als "Satanist" klingen.

Obwohl ihr von Album zu Album euren Stil immer merklich ändert, sind die Alben als Einheit ja immer ziemlich homogen. Ist das immer beabsichtigt?

Zach: Schon. Wir wollen jedes Mal etwas anderes machen, das aber auch immer noch nach uns klingen soll. Schon merkwürdig (lacht).

Das ist nun vielleicht eine schwierige Frage, weil John (Gourley, Sänger und Gitarrist der Band, Anm. des Autors), der eure Texte schreibt, nicht da ist, aber: Geht mit den musikalischen Konzepten, die ihr für die Alben habt, auch immer ein textliches Konzept einher?

Zach: Auf jeden Fall. Es kommt immer darauf an, was gerade vor sich geht, aber eine Menge von Johns Lyrics handeln von seiner Kindheit und davon, wie er in Alaska aufgewachsen ist. Besonders bei "Satanist" ging es um fünf Jahre, in denen er mit seinen Eltern durch Alaska gefahren ist und quasi in der Mitte von Nirgendwo gelebt hat. Jedes Album behandelt definitiv ein bestimmtes Thema, auch wenn es keine Konzeptalben sind. Weißt du, wenn du ein Album in einem Monat aufnimmst, wird auf dem Album landen, was dich in diesem Monat bewegt. Wenn wir zwei Jahre bräuchten, um ein Album aufzunehmen, wäre das wahrscheinlich anders.

Aber eine genaue Verbindung zwischen Musik und Texten besteht nicht? Wenn ihr also dieses Jahr ein Album mit der Musik von "Church Mouth" statt der von "Satanic Satanist" geschrieben hättet, wären die Texte immer noch dieselben?

Zach: Wahrscheinlich schon, ja. Aber damals war uns Bushs Bullshit-Regierung und das, was in der Welt vor sich geht, sehr wichtig, sowie einige bestimmte Vorfälle der Tour, die kurz davor war.

Eine letzte Frage: Ein Freund von mir hat euch vor zwei Jahren in Konstanz interviewt (gemeint ist das von Thomas Raich geführte Interview, das ebenfalls in unserer Interview-Abteilung zu finden ist, Anm. des Autors) und mit euch über Tiere gesprochen. Wenn ihr sagen müsstet, was für Tiere die jeweils anderen Bandmitglieder wären - was wären sie?

Zach: Hehe, alles klar....Ryan.....(überlegt lange).....Irgendetwas Lustiges.... Ein Dreifingerfaultier. Aber nimm mir das nicht übel, ich mag Dreifingerfaultiere wirklich.

Ryan: Schon ok.

Als du eben "irgendetwas Lustiges" meintest, war das erste, das mir einfiel, komischerweise auch "Faultier".

Zach: Das sind auch wirklich die urkomischsten Tiere, und sie haben so ein süßes Gesicht! Hmm....John wäre ein Wiesel. Oder ein Dachs.

Das kam schnell.

Zach: Darüber haben wir quasi schon einmal gesprochen. Er sieht so aus und ist klein und zäh. Und nervig (lacht).

Aber er beißt keine Autokabel durch, oder?

Zach: Nein (lacht). Und Jason (Sechrist, Drummer der Band, Anm. des Autors)....Irgendetwas Unberechenbares....Das ist schwer.

Ryan: Jason ist eine Schildkröte. Er ist alt und weise, auch wenn man es nicht merkt.

Ryan, Zach und der Interviewer lachen.

Aber nicht langsam, oder?

Ryan: Nein, das nicht.

Was wäre Zach?

Ryan: Zach wäre....(lacht leicht diabolisch).....Irgendetwas Gemeines....Ein Schwein.

OK, dann danke ich euch und freue mich, nachher das Schwein, die Schildkröte, den Dachs und das Faultier auf der Bühne zu sehen! Macht's gut!

Jan Martens

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