Rezension

The Felice Brothers

Celebration, Florida


Highlights: Fire At The Pageant // Honda Civic // Ponzi // Cus's Catskill Gym
Genre: Folk // Americana
Sounds Like: Wilco // The Band // Drive-By Truckers

VÖ: 27.05.2011

Wenn die Analogie zerbricht: Bisher konnte man sich die Musik der Felice Brothers immer recht gut vor Augen beziehungsweise Ohren führen, wenn man sich vorstellte, Bob Dylan wäre per Zeitmaschine in die 1920er zurückgeschickt worden, um einer gut druffen Hillbilly-Scheunenband beizutreten. So weit, so bescheuert. Würde man diesen Vergleich zu Zeiten von „Celebration, Florida“ ausbauen wollen, müsste man ihn um ein paar wichtige Punkte erweitern – denn das fünfte Album der Americana-Amerikaner würde dann nicht nur schlimmere Anachronismen als die Armbanduhr in Ben Hur beinhalten, sondern auch an vielen Stellen den Eindruck erzeugen, als wäre besagte Scheune gerade abgebrannt.

Denn wo beispielsweise das selbstbetitelte Album der Felice Brothers ständig mit Songs wie „Penn Station“ oder „Frankie's Gun!“ dazu einlud, den Tonkrug mit dem Selbstgebrannten rauszuholen, vermittelt bereits der Opener „Fire At The Pageant“ mit seinem düsteren Gesang und einem latent panischen Kinderchor eine gewisse Endzeitstimmung. Auch Songs wie „Container Ship“ oder „Oliver Stone“, die zu großen Teilen mit langsamem Klavierspiel und Ian Felices Gesang auskommen, verlagern die Hillbillies vom Schuppen in die Blueskneipe und atmen die Atmosphäre des Vaudeville – bleiben damit aber zumindest ihrer Zeit treu.

Diese wird jedoch spätestens verlassen, wenn „Ponzi“ nach einigen Minuten Barjazz – ein halbes Jahrhundert in der Zeit nach vorne springend – zu einem langen Synthesizer-Interlude ausholt und damit zugleich verdeutlicht, wie sehr die einst recht geradlinigen Songs früher Felice-Brothers-Alben immer komplexeren Strukturen weichen: Siehe auch „Honda Civic“, das seinen Zappelfolk nicht nur mit schöner Regelmäßigkeit von einzelnen Akkordeontönen ausbremsen lässt, bevor er richtig in Fahrt kommt, sondern unverschämterweise noch einen Vocoder in seinen Refrain schmuggelt. „Cus's Catskill Gym“ zeigt dann jedoch schließlich, dass das Spiel auch anders herum klappt, und so wird die mollgeladene Ballade des Nachwuchsboxers dann letztendlich doch wieder zur Scheunenfete umfunktioniert. Das Ganze noch mit Zeitreisen zu erklären, wird dann langsam albern – und zeitlos waren die Felice Brothers im Endeffekt ja eigentlich sowieso schon immer.

Jan Martens

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