Konzertbericht

The Felice Brothers


Eine Geschichte wie aus einem "American Dream In 5 Easy Steps"-Manual: Drei Brüder tun sich mit Freunden zusammen, gründen eine Band, spielen den Americana-Country-Folk ihrer Großväter und werden langsam, aber sicher auch außerhalb ihres Heimatlandes zum Liebling des Feuilleton - und das, obwohl ihre Karriere mit finanziell eher undankbaren Auftritten in U-Bahn-Stationen und auf Wochenmärkten begann. "Das haben wir vor kurzem wieder einmal gemacht", erzählt uns James Felice - Sänger und Akkordeonspieler der Felice Brothers und ein ungeheuer gemütlicher und sympathischer Mensch, der über das Vorbeigehen eines hübschen Mädchens schon einmal vergisst, was er gerade sagen wollte - vor dem Auftritt der Band im Interview. "Wir haben immerhin 12 Dollar dabei verdient."

Gespielt habe man auf diesen frühen Auftritten jedoch meist nur Coverversionen - Musik aus der guten, alten Zeit, als Züge noch langsam genug fuhren, um zum Erlangen einer warmen Unterkunft in sie hineinspringen zu können und als schlechte Laune noch mit Whiskey statt Antidepressiva bekämpft wurde. Auch hierzulande bekannte Musik aus diesen Zeiten zählt James Felice zu seinen Lieblingen: "Ich war ein großer Freund deutscher Weihnachtslieder - 'Stille Nacht, Heilige Nacht' und so."

Sehr überraschend ist es angesichts dieser Einflüsse nicht, dass auch die Band selber - ebenso wie der als Vorband fungierende AA Bondy übrigens, dessen schöner, an Wilco erinnernder Folk viele neue Freunde im Hamburger Publikum gefunden haben dürfte - einen eher rustikalen Eindruck macht: Nicht genug, dass Bassist Christmas vor seiner Zeit bei den Felice Brothers als Würfelspieler arbeitete, auch andere Bandmitglieder sehen auf den ersten Eindruck nicht so aus wie Männer, denen man die Tochter zur Ehe versprechen oder einen Gebrauchtwagen abkaufen würde; Greg Farley, der Fiedel und Waschbrett spielt, wirkt zudem mit seiner schlaksigen Statur, Schirmmütze und zappeligen Gestik mehr wie ein HipHopper als alles andere.

Doch ist es die Spielfreude der Band, die das gewöhnungsbedürftige Auftreten einiger Bandmitglieder sofort vergessen macht: Was mit dem eher gediegenen "Murder By Mistletoe" beginnt, entwickelt sich bei Liedern wie "Take This Bread" oder dem abschließenden "Run Chicken Run" zu einer einzigen großen Feier, die unwiderruflich ein Lächeln auf's Gesicht und Flöhe in die Beine zaubert.

Präsentiert wird im Übel & Gefährlich - auf dem zweiten Konzert der Band auf dem europäischen Festland überhaupt - zu ungefähr gleichen Teilen Material aller Alben der Band, die - man kann es gar nicht oft genug betonen - alle von der gleichen hervorragenden Qualität sind. Und auch wenn der Release von "Yonder Is The Clock" erst ein knappes halbes Jahr zurückliegt, wolle man sich im Winter bereits an die Aufnahmen zum Nachfolger machen, so James. Was man davon erwarten könne? "Die einzige Regel, die wir haben, ist: 'Don't suck'", lautet die Antwort. In dem Fall ist die Mission der Felice Brothers bisher bestens erfüllt worden.

Jan Martens