Rezension

Of Montreal

Paralytic Stalks


Highlights: Ye, Renew The Plaintiff // Authentic Pyrrhic Remission
Genre: Psychedelic Indie
Sounds Like: Peter, Björn & John // OK Go

VÖ: 10.02.2012

Wo ist er geblieben, der psychedelische Rock von einst, an den nur noch Platten mit grellbunten Covern in den unteren Laden des Second-Hand-Händlers um die Ecke erinnern? Ganz sicher nicht verschwunden, aber aus der kollektiven Wahrnehmung weitgehend verloren gegangen. In einer Art weichgezeichneten Skizze findet er sich auf Of Montreals jüngstem Werk wieder. "Paralytic Stalks" hat das US-Kollektiv um Kevin Barnes dieses getauft, und Verschrobenheit und Schrägheit sind darauf zunächst in homöopathischen Dosen zu finden, ansonsten grüßen der etwas avanciertere Indie von nebenan ("Spiteful Intervention") oder dieser nichtssagende Pop der 80er ("Dour Percentage"). Je nach Perspektive haben also entweder Pop und Seriosität Einzug gehalten in eine Welt, in der einst LSD wilde Achterbahnfahrten des Geistes heraufbeschwor und an die heute nur noch ein Cover mit in Pastellfarben schimmernden, fliegenden Mäulern erinnert, oder wir haben die eine Flöte, den einen Halleffekt mehr als bei Klang-Verwandten wie OK Go oder Peter, Björn & John. Erstaunlich ist, dass es offensichtlich nur so wenig bedarf, um aus der Musik des Zeitgeistes auszuscheren.

Doch halt: Jaulende Gitarren ("Ye, Renew The Plaintiff") allein reichen nicht aus, es zeigt sich bei genauerer Betrachtung sogar, dass gerade diese mitunter luftige Reminiszenz an einen Hybrid aus Jethro Tull und The Beatles ("Malefic Dowery") in der Produktion sehr viel Fingerspitzengefühl verlangt. Markant sind die immer wieder auftauchenden chor-esken Versatzstücke, die zugegebenermaßen über "die eine Flöte mehr" hinausgehen. Tatsächlich leiten sie beispielsweise in "Ye Renew The Plaintiff" einen zweiten Teil des Songs ein, der sich wie ein geheimer Raum hinter dem ersten Teil des Tracks versteckt. Dazu werden einige Piano-Arpeggios serviert und ehe wir uns versehen, sind wir nicht mehr die Beobachter einer Verhandlung von Psychedelic Rock und Pop, sondern wir sind einfach mittendrin. Eingetaucht in ein in der Summe sehr grenzen- und uferloses Gebilde, das wohl eher zufällig in Song-Form gegossen wurde.

Gerade, als der Halt vollends zu schwinden scheint, fängt uns "Wintered Debts" mit einer Leichtigkeit ein, als seien wir nichts als ein den Launen des Windes ausgesetztes Blatt. Doch der Schein trügt, auch dieser Song wandelt sein Gesicht, verliert sich in sich selbst. Diese Gegensätze machen "Paralytic Stalks" zu einem gleichermaßen schwer verdaulichen wie merkwürdig anmutenden, keinesfalls aber uninteressanten Album.

Mischa Karth

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Dour Percentage
Wintered Debts

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