Rezension

Jon Hopkins

Insides


Highlights: The Wider Sun // Insides // Light Through The Veins
Genre: Ambient // Progressive Electronics // Dubstep // Breakbeat
Sounds Like: Air // Brian Eno // Ulver

VÖ: 02.05.2009

1968 hat ein schwarzer Monolith Filmgeschichte geschrieben. In Stanley Kubricks „2001“ taucht ein riesiger Stein mit perfekten Außenmaßen auf. Von einer mysteriösen Aura umgeben, sendet der steinerne Block eine tödliche Gefahr aus. Genau so legendär wie der Monolith ist der Soundtrack von 2001 geworden, insbesondere „An der schönen blauen Donau“ (J. Strauss) und „Also sprach Zarathustra“ (R. Strauß) werden mit diesem Film in Verbindung gebracht. Wollte jemand sein Meisterwerk im Jahre 2009 neu verfilmen – einem Briten namens Jon Hopkins sollte eine Bewerbung für den Soundtrack nahe gelegt werden. Der Wahl-Londoner hat wie Strauss und Strauß eine klassische Musikausbildung hinter sich gebracht und im Anschluss viel mit elektronischen Beats experimentiert. Sein drittes Album schickt sich an, beide Genres zu vereinen und zugleich jene Symbiose des Dunklen und Schönen zu vertonen, die Kubricks Monolith verkörpert. Der junge Mann besitzt die Fähigkeit, mit modernsten Klängen ungewöhnlich bildhafte Musik zu komponieren.

Bevor Hopkins uns in die unendlichen Weiten des Ambient-Kosmos entführt, lassen einsame Cellos den Hörer im wunderbaren Opener „The Wider Sun“ noch von der unendlich weiten britischen Landschaft träumen. Doch schon „Vessel“ zeigt, dass mit diesem Paradies etwas nicht stimmen kann. Eine schöne, aber indifferente Piano-Melodie wird jäh durch einen ätzenden Breakbeat ergänzt. Wir schweben in einen Zwischenzustand, alle Bezugspunkte des Paradieses verlieren nach und nach ihre Konturen. Dann verstummt die Melodie komplett und was bleibt, ist der Beat mit allerlei hochfrequenten Störgeräuschen und Rückkopplungen. In „Insides“ lösen sich Raum und Zeit vollends auf. Das Leitmotiv, das an Akte X und Poltergeist erinnert, wird von einem weiteren mahlenden, scharfen Breakbeat zerfetzt.

Die unglaublich intensive Steigerung innerhalb der ersten drei Stücke, die beim ersten Hören in Staunen versetzt und zugleich Verwirrung stiftet, nimmt hier ihr frühes Ende. Eine weitere Steigerung ist schlicht nicht mehr möglich. Statt dessen bemüht sich Hopkins nun, ein stimmungsmäßiges Gegenkonzept zu entwickeln. „Wire“ erinnert an ein progressives Stück der Franzosen von „Air“, es präsentiert sich erstaunlich tanzbar. „Colour Eye“ klingt stark nach Dubstep und schlägt das letzte dunkle Kapitel des Albums auf - der Regenschauer am Ende des Stücks bildet die Überleitung zum zweiten Teil des Albums.

„Light Through The Veins“ bildet nach der Anfangs-Trias das zweite Highlight der Platte. Achteinhalb Minuten lang werden seichte Beats genutzt, damit sich die schönen Melodien des Klaviers beziehungsweise Synthesizers entfalten können. War der vorige Zustand der Haltlosigkeit beängstigend, weil ungewohnt, stellt sich hier ein wohliges Gefühl der Schwerelosigkeit ein. Besagtes Konzept wird in den abschließenden Songs mal mehr, mal weniger elektronisch fortgesponnen. Hervorzuheben sind dabei die beiden reinen Klavierstücke „Small Memory“ und „Autumn Hill“.

„Insides“ ist ein Album, das dem Hörer sehr viel abverlangt. Neben einer Affinität für klassische Instrumente ist Vertrautheit mit elektronischen Klängen notwendig. Für wen Ambient kein Fremdwort ist und wer zuhören kann, der darf in eine faszinierende akustische Welt eintreten, die unglaublich dicht und zugleich surreal erscheint. Der zweite Teil des Albums ist dabei durch das Fehlen der brutalen Beats wesentlich einfacher hörbar, vielleicht aber auch nicht mehr ganz so spannend. Dennoch ist das Gesamt-Niveau des Albums sehr hoch. Selbst dem Perfektionisten Kubrick hätte dieses Bewerbungsschreiben gefallen.

Mischa Karth

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