Rezension

Future Islands

On The Water


Highlights: Where I Found You // Balance // Tybee Island
Genre: New-Wave // Post-Wave // Ambient
Sounds Like: Orchestral Maneuvres In The Dark // The Cure // New Order // Brian Eno

VÖ: 14.10.2011

Dieses Trio aus Baltimore schreibt Songs zwischen Post-Punk und New-Wave, hörte man sie sagen. Hörenswert war das seit jeher. Schon das erste Album „Waving Like Home“ war an sich ein sehr gelungenes Stückchen Musik, Songs wie „Flicker and Flutter“ extrem hörschädigend und eindringlich zugleich. Einige Jahre später verkommt dieses Debüt nun jedoch immer mehr zum Prototypen von Future lslands und ist vielleicht noch am ehesten eine Balance aus Post-Punk und New-Wave.

Inzwischen hat sich die Band mit ihrem zweiten Album „In Evening Air“ in beide Extreme entwickelt: Auf der einen Seite ins Düstere mit einer animalisch bellenden Stimme Samuel Herrings, die paranoiaartig und verdammt autoaggressiv zumindest gesanglich einem Tom Waits in nichts nachzustehen scheint, auf der anderen Seite immer mehr den Geist der 80er atmet und mit ihm den Sinn für synthetische und etwas naive Popmusik. Formulieren wir es kurz so: Gesanglich auf der dunklen, musikalisch auf der guten Seite der Macht.

„On The Water“ setzt diese Entwicklung konsequent fort, mit aller Konsequenz, die nur zumutbar erscheint. Wird der Bogen überspannt? Die Frage ist schwierig zu beantworten. Auf jeden Fall sind an die Stelle, wo auf „In Evening Air“ immerhin noch ein ordentlich wummernder Bass daran erinnerte, dass diese Band ihre Wurzeln im Punk sieht, weitaus mehr Synthesizer und Feldaufnahmen getreten. Gleich im Opener zum gleichnamigen Album „On The Water“ wird ein gefühlsechter, natürlicher und doch distanzierter, kalter Eindruck dessen vermittelt. Brian Eno als einen großen Einfluss nannte die Band selbst. Das Kunststück gelingt: Future Islands sind experimenteller und zugleich poppiger geworden. Inzwischen könnte man Future Islands auch im Vorspann zu Miami Vice platzieren, ohne dass wir das als so etwas wie altmodisch bezeichnen müssten. Das wäre dann so etwas wie eine gelungene intermediale Collage. Die Grenze zu den Achtzigern verschwimmt bei Future Islands zusehends und immer mehr könnte man die Band auch direkt neben den Orchestral Maneuvres In The Dark (OMD) platzieren. Dann aber wieder nicht und das ist gut so.

Da wären diese erschreckend gelungenen bisherigen Singles, die so eingängig wie „Before The Bridge“ oder „Balance“ universal glänzen und auf die man sich kompromisslos einigen kann. Auf ganzer Linie kann man Future Islands aber bescheinigen, die Welt um wunderschöne Songs bereichert zu haben. So viel Gefühl kann doch gar nicht mehr Punk sein? Der Zorn, der Donner weicht vielmehr einem Panoramabild der Selbstfindung und der eigenen Wahrnehmung durch die Umgebung. Ja, die Future Islands sind ruhiger geworden, suchen geradezu nach innerer Ruhe. Diese findet man auf „Tybee Island“ gewiss, diesem 3.17-minütigen Kurzurlaub.

Es ist umso erstaunlicher, dass die Songs dabei immer noch eine solche Wärme ausstrahlen. Das unterscheidet Future Islands vom plumpen Eighties-Abklatsch. Auf der einen Seite eben Miami Vice im weißen Anzug, auf der anderen steckt da wieder schwarzer, dämonischer Goth dahinter. Vielleicht haben es Future Islands mit diesem Album nicht geschafft, einen Meilenstein der Musikgeschichte zu produzieren, aber immerhin haben sie ihre eigene Ästhetik gefunden, definiert und konsequent weiterentwickelt. Also wieder einmal eine riesige Leistung.

Wird der Bogen überspannt? Der ein oder andere mag die ausdrucksstarken Songs als überheblich, übertrieben betrachten. Dieser wird sich mit diesem Album bestätigt sehen. Manch anderer wird schlicht entzückt sein. Die Wahrheit liegt, wie immer, irgendwo dazwischen. Und wem das Album nicht gefällt, der kann sich immerhin noch über ein wunderhübsches Artwork freuen.

Achim Schlachter

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