Rezension

Deerhunter

Monomania


Highlights: Neon Junkyard // The Missing // Pensacola // Monomania
Genre: Garage Rock // Lo-Fi // Indie Rock
Sounds Like: Atlas Sound // Lotus Plaza // No Age

VÖ: 03.05.2013

Böse Buben behaupten ja, dass das bloße Raunen mancher Bandnamen bereits Tore und Türen in der Pressewelt öffnet. Veröffentlichen die üblichen frühzeitig kanonisierten Verdächtigen im eingependelten Zwei-Jahres-Takt neue akustische Wunder, recyceln die Schreiber ihre alten Texte, zücken Höchstnoten und beschwören mal wieder die Landung des musizierenden Heilands auf Erden. Nachdem alle vier Alben von Deerhunter aus Atlanta trotz zum Teil erheblicher Einarbeitungszeit von sämtlichen hippen Presseorganen abgefeiert wurden, wagt Bradford Cox das Experiment und veröffentlicht mit „Monomania“ eine Platte, die derart sperrig, lärmig und übersteuert ist, dass Kritiker den Braten eigentlich riechen und Nase rümpfend „Provokation“ schreien sollten. Tun sie allerdings nicht und das vollkommen zurecht: „Monomania“ ist absolut großartig. Mal wieder. 

Das neue Album ist damit der schroffe Gegenpol zum fast schon anschmiegsamen Vorgänger „Halcyon Digest“. „Monomania“ ist ein übel riechender Kotzbrocken, der vor sich hin lärmt und rüpelt, ein meisterhaft gespieltes Stück Garage Punk von einer Band, die mit frühen Alben wie „Cryptograms“ offen den überlangen Kompositionen der Krautrocker Can huldigte. „Monomania“ ist eine Offenbarung. Ein schöner, doch auch überaus eitler Schwan, der sich zum hässlichen kleinen Entlein zurückentwickelt und dabei mehr Wert auf sorgfältig komponierte Lieder und einen harmonischen Spannungsverlauf als auf technische Spielereien und revolutionäre Aufnahmemethoden legt. „Monomania“ wäre in seiner ungestümen Art eigentlich das perfekte erste Album. 

Die Songs wirken dabei nur oberflächlich schroff. Gerade das Eröffnungsgespann unternimmt alles, um dem Schönwetterfan den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben, auf dass dieser die erlittenen Schmerzen schnell mit einer Beady-Eye-Platte lindern möge. Sie haben es auch nicht anders verdient. Wer dem Album die notwendigen mehreren Umdrehungen schenkt, erkennt, dass sich hinter dem Freakout von „Leather Jacket II“ eigentlich ein unverschämt eingängiger Song versteckt. Glücklicherweise erkennen Deerhunter hier rechtzeitig, wann der Geduldfaden des Zuhörers zu reißen droht und versöhnen kurz vor der absoluten Genervtheit mit dem poppigen „The Missing“, welches auch auf dem Vorgänger eine gute Figur gemacht hätte. Auch „Pensacola“ ist mit Steel-Gitarre und Hillbilly-Bass auf eine fast dümmliche Art und Weise einprägsam. Großes Highlight ist dabei der Titelsong, den Deerhunter auch schon mit Ramones-Perücken, abgesäbelten Fingern, massig Kunstblut und einem völlig verstörenden Bradford Cox in einer großen amerikanischen Late-Night-Show aufgeführt haben und mit dem sie spätestens beim abrupten und abgefuckt charmanten Verschwinden des Sängers während des Instrumentalteils Fragezeichen beim Zuschauer hinterlassen haben. 

Werden Deerhunter also nach Kopfnoten beurteilt? Nach „Monomania“ wäre eine solche Behauptung dummes Geschwätz von Menschen, die sich nie die Mühe gemacht haben, sich in diese großartige und rastlos innovative Band einzuarbeiten. Auch die Aufnahme muss schlussendlich so verrauscht und übersteuert klingen, damit man die Melodien dank des Tinnitus immer bei sich behält.

Yves Weber

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