Rezension
65daysofstatic
No Man's Sky Soundtrack
Highlights: End Of The World Sun // Asimov // Borealis/Contrastellar
Genre: Post-Rock // Ambient
Sounds Like: Explosions In The Sky // God Is An Astronaut
VÖ: 05.08.2016
Wie mächtig ist die künstliche Intelligenz mittlerweile geworden? Steuern wir auf eine Welt der totalen Überwachung zu oder liegen in den Algorithmen die Lösungen zu den dringenden Problemen unserer Zeit? Fakt ist, dass Computer bereits Vieles können und mit dem entsprechenden Code bis zu einem gewissen Grad autonom agieren und zum Beispiel eigenständig virtuelle Welten kreieren. Was bei Star Trek mit dem Holo-Deck noch eine kühne Vision war, ist in Zeiten von Google Glasses und Augmented Reality nur noch einen Schritt vom Massenmarkt entfernt. Das Videospiel „No Man's Sky“ ist so etwas wie ein Zwischenschritt: Hier generiert der Code ganze Galaxien, die sich in Stunden und Aberstunden entdecken lassen. So werden Couch Potatoes zu Weltraum-Pionieren.
Was die Computer im Jahr 2016 allerdings noch nicht beherrschen: komponieren. Zumindest keine Musik, die über eine langfristige Relevanz verfügt. Deshalb hat auch „No Man's Sky“ einen mehr oder weniger klassischen Soundtrack bekommen. Verantwortlich hierfür zeigen sich 65daysofstatic. Die Briten haben viel Zeit und Energie in die Musik zum Spiel gesteckt, wohlwissend um den Hype, den „No Man's Sky“ auslösen würde. Nach jahrelanger Wartezeit soll die Frage, ob das Resultat tatsächlich spielbar ist und dabei Freude bereitet, von anderen beantwortet werden. An dieser Stelle lautet die Gretchenfrage: Lässt sich das Gefühl von Unendlichkeit überhaupt in die Form starrer Musik gießen?
Die Antwort lautet ja – mit einer Einschränkung: Wenn sie gut gemacht ist. Und das ist sie im Fall von „No Man's Sky“. 65daysofstatic kreuzen ihre Gitarren stärker denn je mit elektronischen Flächen, düsteren Synthesizern und jeder Menge Hall und ziehen dabei alle Register ihres Könnens. Post-Rock-typisch sind die Songstrukturen nirgends vorhersehbar und auch nach vielen Durchläufen lassen sich die einzelnen Momente nie wirklich greifen und zuordnen. Die abstrakten Titel unterstützen dieses Gefühl der Schwerelosigkeit noch. Dass trotzdem der Eindruck entsteht, alles stehe genau am richtigen Fleck, ist die Stärke des Albums – und die Leistung der Band. Natürlich lässt sich darüber streiten, ob 8-Bit-Sounds in „Monolith“ wirklich notwendig sind oder bloß als Verweis auf die eigene Historie dienen. Auf der anderen Seite ist diese Geste vielleicht auch als Reminiszenz an die Videospielgeschichte zu sehen, die sich sehr früh anschickte, das Weltall für sich zu erobern. Piano und chorale Einsprengsel in „Supermoon“ tragen den Soundtrack sogleich in eine etwas andere Richtung und bilden den vielleicht klassischsten Song von 65daysofstatic ab.
Wirklich stark wird es da, wo Lautstärke ins Spiel kommt. Denn dass das Weltall ein per se lautloser Raum ist, braucht die Besitzer guter Kopfhörer ja nicht zu stören. Marschierende Gitarren in „Asimov“, eine dröhnende Orgel in "Escape Velocity"? Yes, please! So schreitet der Soundtrack voran, mal leise, mal laut, mal düster, mal episch. Wie groß dieses Album tatsächlich ist, wird sich vielleicht nie beantworten lassen – wie die Frage nach der Macht der künstlichen Intelligenz.
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