Interview
The Strange Death Of Liberal England
Erzählt mir etwas über die Ideen, die hinter der Band "The Strange Death Of Liberal England" stecken?
Adam Woolway (Gitarre und Gesang): Wir sind einfach nur fünf Freunde, die nichts zu tun hatten. Deswegen fingen wir irgendwann an, Lärm zu machen, und das ist im Grunde auch schon alles.
Ich meinte eher die Dinge, die TSDOLE einzigartig machen, wie den Bandnamen (benannt nach der gleichnamigen politischen Schrift von George Dangerfield, Anm. d. A.), das Hochhalten von Schildern bei Konzerten und all das.
Adam: Was den Bandnamen angeht: Wir wollten einfach diese Verbindung zum Politischen, weil wir das für ziemlich wichtig halten.
Geht es dabei speziell um dieses Buch?
Adam: Nein, nur im Allgemeinen.
Andrew Wright (Bass und mehr): Das Buch selbst ist nicht das Entscheidende.
Adam: Genau. Und dass wir die Schilder hochhalten und nicht zum Publikum sprechen, kommt einfach daher, dass wir anfangs zu schüchtern waren. Aber heute werde ich auf der Bühne deutsch sprechen. (lacht)
Andrew Summerley (Schlagzeug und mehr): Ja genau. Unsere ersten Worte auf der Bühne werden wohl deutsch sein.
Und zwar?
Adam: (in ziemlich gutem Deutsch) "Ich bin Adam. Ich habe zwei Geschwester. Ich wohne in ein kleiner Stadt in England."
Sehr gut. Hast du diesen Satz auswendig gelernt?
Adam: (ironisch) Ja, den habe ich mir auf die Hand geschrieben. (und weiter auf Deutsch) "Ich habe eine Hund."
Was für Nachrichten habt ihr denn auf den Schildern, die ihr dem Publikum zeigt?
Andrew W.: Die Namen der Lieder natürlich, aber auch einfach Phrasen, die einen Song zusammenfassen oder auf irgendeine Art und Weise zu ihm passen.
Adam: Eigentlich fing das als Spaß an und im Laufe der Zeit hat es sich weiterentwickelt. Irgendwann kamen die Leute an und redeten von dieser tollen Idee, die wir da hätten...
Andrew W.: Als Anspielung auf Brecht und sein episches Theater. Er ließ damals auch Schilder hochhalten.
Adam: Wir hatten davon aber wirklich keine Ahnung. Natürlich behaupteten wir das Gegenteil, weil uns das ziemlich schlau aussehen ließ. (lacht) Da fingen wir dann auch an, Phrasen zu verwenden, deren Bedeutung etwas mehr umfasst. Natürlich benutzen wir aber auch einfach die Songtitel, denn darum geht es ja eigentlich. Schließlich drücken wir uns über unsere Lieder aus.
Wovon handeln die Lieder auf "Forward March" denn?
Adam: Ähm. (überlegt lange) Mensch, es ist schon so viel Zeit vergangen, seitdem wir die Lieder geschrieben haben. (lacht)
Ihr könnt mir auch einfach sagen, worum es in euren neuen Liedern geht.
Andrew W.: In den neuen Songs geht es darum, nicht zu vergessen, was wir eigentlich spielen wollen. (lacht)
Adam: Ja, wir zählen nur den Takt - "1-2-3-4". (lacht) Nein, in den Lyrics, vor allem bei "An Old Fashioned War" und "God Damn Broke And Broken Hearted", geht es um die Vorstellung eines Gottes oder einer allmächtigen Kraft. Man sieht ja Leute, die ein religiöses Leben haben, und das muss man natürlich tolerieren. Genauso sollte man es tolerieren, wenn jemand nicht an Gott glaubt. Jeder hat seine persönliche Meinung, und wir versuchen da die Grenzen niederzureißen. Niemand weiß, was die Bedeutung des Lebens ist, deswegen verstehe ich nicht, wie dir jemand sagen kann, was falsch und was richtig sein soll. Es gibt kein Handbuch dazu. In "An Old Fashioned War" geht es um Macht, um Leute, die Macht haben und damit Leuten sagen, was sie tun sollen, und ob sie diese Macht wirklich haben sollen. Soviel man eben in einem 3-minutigen Popsong darüber sagen kann.
Ist der Albumtitel denn ein Hinweis, dass man einfach nur leben soll und sich keine Gedanken machen, wozu das Ganze eigentlich gut ist?
Adam: Ja, in gewisser Weise. Das war ungefähr, was ich mir dabei dachte, aber dann habe ich festgestellt, dass es eigentlich ein Problem ist. Denn wenn man keinen Sinn sieht, endet man irgendwann im Nihilismus, und man lebt ohne Regeln und alles versinkt im Chaos. Also braucht man schon einen Weg oder eine Art Richtlinie, wie man sein Leben leben soll. Eigentlich hat das Leben keine klare Bedeutung. Man kann versuchen, ihm eine zuzuschreiben, aber dabei wird man vermutlich immer scheitern. Deswegen denke ich, dass die Leute bei allem was sie tun, immer versuchen, eine tiefere Bedeutung zu finden. Zum Beispiel wenn sie sich einen Film ansehen oder in der modernen Kunst. Wenn man zum Beispiel eine Flasche in die Mitte eines Tisches stellt, ist das natürlich nur eine Flasche in der Mitte eines Tisches, aber es wird immer jemand kommen, der die tiefere Bedeutung dabei sucht. Wenn man das macht, fühlt sich das gut an, weil man dabei versucht, sich sein Leben zu erklären.
Also kann das auch eine gute Sache sein.
Adam: Ja. Wenn man zum Beispiel hingeht und behauptet, dass das Leben keine Bedeutung hat, zerstört man damit natürlich auch ziemlich viel. Und vor allem: Wo soll man - davon ausgehend - noch hin? Man könnte vielleicht sagen, dass es auf "Forward March" darum geht, dass es keinen Gott gibt. Aber der nächste Schritt ist, sich zu fragen, was wir eigentlich haben und wo wir eine Bedeutung finden können. Und darüber versuche ich, auf dem nächsten Album zu schreiben - in 3-minütigen Popsongs.
Wieviele Lieder habt ihr für das neue Album schon geschrieben?
Andrew S.: Sechs oder sieben, die natürlich alle noch in Arbeit sind. Es ist immer einfacher, sich eine Meinung über einen Song zu bilden, wenn man ihn einmal live gespielt hat. Man kann ein Lied tausend Mal im Proberaum proben, aber man muss es immer auch vor einem Livepublikum spielen, um ein Feedback zu bekommen und zu sehen, wie sich das Lied auf der Bühne anfühlt. Wir müssen die Songs einfach ein paar Mal ausprobieren, und dann können wir sie irgendwann der finalen Überarbeitung unterziehen.
Ihr spielt die also auch heute?
Andrew S.: Ja, wir spielen nur zwei Songs von "Forward March", alle anderen sind neu.
Sind die neuen Lieder sehr verschieden von den alten? Gibt es vielleicht eine Weiterentwicklung in eine bestimmte Richtung?
Andrew W.: Ja, ich würde schon sagen, dass sie sich von "Forward March" unterscheiden. Aber natürlich sind wir noch immer die gleiche Band.
Andrew S.: Wir sind schon reifer geworden, und wir spielen unsere Instrumente natürlich besser.
Andrew W.: Wir versuchen aber, schlecht zu bleiben. (lacht)
Adam: Ich glaube auch, dass uns das gelungen ist. (lacht)
Andrew S.: Ich denke, dass man einen Unterschied hören kann. Aber mir - und ich weiß nicht, ob ich da für alle spreche - fällt es ziemlich schwer, die Unterschiede genau zu sehen. Ich weiß nicht, wie das draußen bei Leuten aufgenommen wird, die schon unsere erste EP hatten und dann "Forward March!". Vielleicht sehen sie die Änderungen radikal oder vielleicht auch nicht.
In welche Richtung wird es denn gehen?
Adam: Ich weiß nicht. Es ist irgendwie mehr, mehr... (überlegt)
Andrew W.: Es hängt einfach davon ab, wie groß unser Kater vom Vortag ist. (lacht)
Andrew S.: Eigentlich hängt es von unserer Verfassung ab. Wenn wir viel Energie haben, wird es ein schneller Popsong und wenn nicht, dann wird es eher ruhig. Aber wie das auf die Hörer wirkt, sollen sie selbst entscheiden.
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