Interview

Ólafur Arnalds


Ólafur Arnalds haftet das Image an, ein etwas eigenbrötlerischer Künstler zu sein. Im Interview beim diesjährigen Zeltmusik-Festival in Freiburg gibt er allerdings mehr den humorvollen Typen als die launische Diva. Vielleicht liegt es ja daran, dass er sich durch viele unterschiedliche Projekte ordentlich austoben kann? Welche genau das sind und warum sich so viele Menschen auf seine Musik einigen können, lest ihr in unserem Interview.

Heute spielst du ja ein bestuhltes Konzert in einem Spiegelzelt. Kannst du dich überhaupt noch an diese lauten, schweißtreibenden Gigs erinnern, die du mit deiner früheren Hardcore-Band in irgendwelchen Kellerclubs gegeben hast?

Ólafur Arnalds: (lacht) Ja, an die kann ich mich noch sehr gut erinnern. Allerdings vermisse ich diese Zeiten nicht sonderlich. Das war damals ok, als man noch als ganze Band unterwegs war. Mittlerweile interessiert mich dieses Leben aber nicht mehr.

Gibt es irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen einem Klassik-Publikum und einem Hardcore-Publikum oder sind das tatsächlich zwei vollkommen unterschiedliche Welten?

Ólafur: Im Verhalten während eines Konzertes sind das natürlich zwei völlig gegensätzliche Menschengruppen. Die einen springen gröhlend umher, während die anderen einfach nur dasitzen. Allerdings kann ich bei meinen Shows immer wieder feststellen, dass da Leute aus ganz unterschiedlichen Subkulturen im Publikum sitzen. Vom Punk bis zum Goth ist da alles dabei. So gesehen muss es auch eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen diesen Menschen geben.

Du hast also in der Vergangenheit in einer sehr lauten Band gespielt und machst nun relativ leise Musik. Kannst du dir vorstellen, irgendetwas zwischen diesen beiden Pole zu machen? Irgendwas in Richtung gewöhnlicher Pop-Musik zum Beispiel?

Ólafur: Weißt du, ich will nicht das, was ich gerade mache, ein Leben lang tun. Du möchtest ja auch nicht immer zuhause bleiben, sondern auch mal rausgehen und Fußball spielen. Genau so geht es mir auch. Ich habe jetzt so viel Zeit damit verbracht, diese Art von Musik zu machen, dass ich manchmal schon das sehr starke Gefühl habe, musikalisch in eine völlig andere Richtung zu gehen zu wollen. Deswegen hab ich auch jetzt angefangen, andere Bands zu produzieren, um einfach ein wenig Abwechslung reinzukriegen. Ich hab auch erst neulich Musik für einen großen isländischen Popstar geschrieben.

Echt? Hat man dich danach gefragt, ob du das tun würdest?

Ólafur: Tatsächlich ja. Oder genau gesagt: zuerst bat man mich darum, die String-Arrangements für einen sehr langsamen Song zu schreiben. Ich hab denen dann gesagt, dass ich auch die anderen Popsongs machen könnte und dass das dann ein wenig erwachsener klingen würde als die bisherige Musik des Künstlers. Mehr so nach Robyn zum Beispiel. Von dem Vorschlag waren die dann ganz begeistert, weil sie ohnehin in diese Richtung gehen wollten. Also hab ich dann alle Songs beigesteuert und die erste Single ist jetzt auch schon über einen Monat in den Top 10 in Island. (lacht)

Also bist du quasi schon in der Popmusik angekommen! Du hast aber auch noch dieses andere Projekt mit Janus Rasmussen namens Kiasmos am Laufen. Was kann man davon erwarten?

Ólafur: Janus und ich haben jetzt endlich das erste Album nahezu fertig. Vielleicht schaffen wir es noch, die Platte vor Weihnachten rauszubringen. Es wird in Deutschland sicherlich viele Freunde haben! (lacht)

Ahja, wieso das denn?

Ólafur: Es hat diesen typischen Berliner Minimal-Sound. Aber kein stumpfes Geboller, sondern auch mit viel Melodie und auch Streichern.

Du hast vorhin schon mal erwähnt, dass deine Musik ganz unterschiedliche Menschen anzieht. Was glaubst du, woran liegt das, dass sich so viele auf deine Songs einigen können?

Ólafur: Ich glaube, es mögen mehr Leute klassische Musik, als sie denken. Klassik ist eine sehr universelle Musikrichtung, die viele Menschen in irgendeinem Punkt anspricht. Manchmal ist es bei Genres aber einfach so, dass ihnen ein Image anhaftet, das viele potenzielle Zuhörer davon abhält, sich mit ihnen genauer zu beschäftigen. Durch meine musikalische Vergangenheit, aber auch meine modernere Herangehensweise an Klassik habe ich vielleicht dieses negative Image, welches dieses Genre bei vielen innehatte, etwas aufgelöst.

Das heißt, du siehst dich selbst als eine Art Bindeglied zwischen Klassik und Pop-Musik?

Ólafur: Genau so könnte man das am besten beschreiben.

Du gehörst neben anderen Krativköpfen wie Peter Broderick oder Nils Frahm zur Erased-Tapes-Familie. Gibt es bei euch hier und da einen Austausch an Ideen?

Ólafur: Den gibt es wirklich, tatsächlich sogar ziemlich häufig und ziemlich intensiv. Nils und ich haben zum Beispiel in letzter Zeit viel zusammen gemacht und vielleicht wird da auch mal ein Album draus. Ich bin auch häufig in Berlin (Sitz von Erased Tapes), um mich mit verschiedenen Künstlern auszutauschen. Nils produziert auch gerade das neue Album von Peter und Peter selbst hat mich bei einigen Shows in Deutschland begleitet. Es passiert also immer irgendwas!

Kommen wir mal auf dein musikalisches Talent zu sprechen. Du spielst ja viele verschiedene Instrumente, genau wie auch deine Cousine Ólöf Arnalds. Liegt das bei euch in der Familie oder seid ihr zwei die Ausnahmen?

Ólafur: Nein, bei uns in der Familie sind wirklich viele hauptberuflich musikalisch unterwegs. Die meisten nur eben eher hinter den Kulissen. Aber die sind alle mindestens genauso talentiert wie ich oder Ólöf. Das ist bei Familienpartys oder an Weihnachten immer recht witzig, weil dann wirklich JEDER irgendein Instrument in der Hand hat und wir alle zusammen jammen oder Songs gemeinsam singen.

Gibt es überhaupt noch ein Instrument, das du magst, aber noch nicht spielen kannst?

Ólafur: Ohja! Ich übe immer wieder hart, um ein wenig Violine spielen zu können, aber es klappt einfach nicht. Ich klinge immer noch wie ein siebenjähriger Anfänger.

Du machst aber sicherlich auch noch etwas anderes als Violine zu üben. Also was steht bei dir in nächster Zeit sonst noch an?

Ólafur: Zuerst mal gilt es, dem Kiasmos-Album den letzten Schliff zu verpassen. Das sollte aber bald der Fall sein. Dann arbeite ich gerade auch noch an einem neuen eigenen Album. Das läuft bisher aber recht schleppend und ich würde damit nicht vor Mitte nächsten Jahres rechnen. Und obwohl ich jetzt schon lange auf Tour bin, wird es noch mehr Konzertdaten geben, bei denen ich komplett solo unterwegs sein werde. Ohne zusätzliche Streicher.

Wie kann man sich das denn live vorstellen?

Ólafur: Das ist selbst mir noch nicht so genau klar. (lacht) Ich werde auf jeden Fall Piano spielen und parallel die Synthesizer bedienen. Das Ganze wird dann irgendwie per Looping hoffentlich zu richtigen Songs verschmelzen. Ich freue mich da sehr darauf und ihr dürft auf jeden Fall gespannt sein!

Benjamin Köhler

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