Interview

Mother Tongue


Auf ihrer "Now Or Never Tour" trafen wir Mother Tongue in Karlsruhe zum Interview. Da die Jungs wahre Perfektionisten sind konnte es erst eine Stunde später losgehen, da man ja noch einen 90minütigen Soundcheck machen muss! Wie immer gut gelaunt bittet man uns dann schließlich in den Backstageraum zum gemütlichen Plausch. David Gould(Bass, Vocals), Bryan Tulao(Gitarre, Vocals) und Sasha Popovic(Drums) machen einen blendenden Eindruck. Nur Christian Leibfried(Gitarre, Vocals) wirkt angeschlagen, schließlich hat er sich noch einige Tage zuvor die Ferse bei einem Sturz von der Bühne auf einen "Rollstuhl" gebrochen! Bevor wir loslegen können aber erst einmal allgemeines Chaos: David´s vier! Kinder machen einen Heidenlärm, unsere ersten beiden Fragen fallen der Geräuschkulisse zum Opfer.

David: Seid ruhig! Die filmen uns.

Sasha: Ihr solltet besser rausgehen! (die Kinder gehen raus) Ihr fangt am besten noch einmal an.

Ok. Welche Musik läuft momentan in eurem Tourbus?

David: Bei dieser Tour hören wir keine Musik im Tourbus. Wir haben Kinder im Bus und so schauen wir normalerweise nur Filme oder relaxen. Wenn wir Musik hören, dann nur über Kopfhörer, aber wir hören viele verschiedene Arten von Musik und wir schätzen auch den Musikgeschmack der Anderen. Wir spielen so viel Musik, dass man nach einer Show nicht wirklich noch andere Musik hören will.

Interessiert ihr euch für die aktuelle Musikszene?

Bryan: (während er neue Gitarrensaiten aufzieht)Ohja, ich mag einige Bands!

Welche Bands zum Beispiel?

Bryan: Ich mag sehr TV On The Radio aus New York. Oder The Mars Volta. Oder Queens Of The Stone Age, die sind zwar nicht mehr ganz neu, aber egal. Oder PJ Harvey. Es sind nicht nur Bands, die herausstechen. Ich mag auch Andre3000 von Outkast oder Eminem.

David: Was ist mit dir, was für neue Bands magst du?

Ich interessiere mich für die neu aufkommende Progrockszene. Ich weiß nicht, ob ihr Oceansize oder Amplifier kennt?

Alle: Nein.

Die kommen aus UK und spielen acht- oder neunminütige, sehr komplizierte Songs, die aber nie langweilig werden.

David: So etwas mag ich auch sehr. "Oceansize", das ist der Titel eines Janes Addiction Songs. Mögen die Janes Addiction?

Ich denke schon, sie haben sich nach dem Song benannt. "Effloresce" heißt das Album, solltest du dir mal anhören.

David: Das werde ich tun.

Ihr verlangt vergleichsweise wenig Geld für eure Shows, aber ihr rockt jeden Abend wie die Hölle. Wenn ich euch live auf der Bühne sehe, habe ich immer den Eindruck, dass ihr all das nur aus Liebe zur Musik macht. In Zeiten, in denen Geld die Welt regiert ist das unglaublich. Was meint ihr?

Christian: Ich denke wir alle lieben Musik und werden angetrieben durch die Liebe zur Musik. Diese Band entstand aus dieser Einstellung, aber wir können durch sie leider nicht überleben. Wir verinnerlichen zwar die Liebe der Fans zu unserer Musik und geben sie in einem gewissen Maße zurück, aber wir können leider nicht sagen, dass wir von ihr leben könnten. Es ist ja so, dass jeder zu Hause noch einen anderen Job hat um über die Runden zu kommen und wir gehen eigentlich jedesmal, wenn wir auf Tour sind ein Risiko ein unsere Jobs zu verlieren. Also in erster Linie machen wir das Ganze aus Liebe zur Musik, aber davon leben zu können wäre natürlich ein großes Plus.

David: Ich liebe es Musik zu machen. Ich bin schon mein ganzes Leben lang Musiker. Manchmal wünschte ich, ich würde nur das Musikhören lieben und nicht das Spielen, weil damit automatisch viele Hochs und Tiefs verbunden sind, aber das wäre dann, als würde ich mich selbst verleugnen.

Gefällt es euch besser live auf der Bühne zu stehen als im Studio Platten aufzunehmen?

David: Ich bevorzuge es live zu spielen, weil ich glaube, dass das uns besser widerspiegelt. Es ist immer so: Wenn du ein Album machst, ist es wie einen Film zu drehen. Wenn du live spielst, kann alles passieren. Es ist von der Reaktion des Publikums abhängig. Das vitalisiert dich irgendwie.

Gibt es Tage, an denen ihr nicht auf die Bühne wollt um zu performen?

Sasha: Es ist schon ermüdend jeden Tag erst den Soundcheck zu machen und dann auf der Bühne zu stehen. Aber wenn wir erst einmal vor dem Publikum stehen und anfangen zu performen, dann haben wir unseren Spaß und genießen die Atmosphäre.

David: Wir freuen uns über jeden, der kommt. Wir schulden ihnen eine gute Show. Da spielt es keine Rolle, wie wir drauf sind. Innerhalb eines Monats kann es sein, dass wir vor ganz vielen Leuten spielen, oder vor fast niemandem. Es ist immer eine Überraschung.

In der Vergangenheit gab es viele Spannungen innerhalb der Band. In der Zwischenzeit scheint bei euch alles viel harmonischer abzulaufen. Trügt der Schein?

David: Wir haben keine Zeit mehr für Streitigkeiten. Als wir jünger waren war das anderst, waren einfach noch grün hinter den Ohren. Jetzt sind wir erwachsen geworden und Sasha ist eine Art Ruhepol innerhalb der Band.(Anm. d.Red. Sasha stieß erst nach den Aufnahmen zu “Streetlight” hinzu) Eine Band ist wie Kinder: Wenn einer einen schlechten Tag hat, dann steckt er auch die anderen mit seiner schlechten Laune an. Früher hatte immer einer schlechte Laune und das weckte die aggressive Seite in mir. Aber es geht nicht um Leben oder Tod. Wir haben Spaß und wenn es mal ein Problem gibt, dann reden wir darüber und die Sache ist gegessen.

Ihr habt nie den großen Durchbruch geschafft. Seid ihr darüber traurig, oder seid ihr zufrieden mit eurer Musikkarriere?

David: Ich bin dankbar, aber nicht zufrieden. Ich bin dankbar für die Möglichkeiten, die wir hatten und für die Leute, die unsere Band unterstützt haben. Ich will auch nicht, dass sie denken, dass das nicht genug wäre, weil es so nicht ist. Sie sind großartig! Aber ich bin nicht zufrieden mit meiner Musikkarriere und das ist das was mich weiter antreibt. Ich möchte meine eigenen musikalischen Ziele erreichen.

Was für Ziele sind das?

David: Von der Musik leben zu können und eine große Masse an Leuten zu erreichen. Außerdem will ich die Möglichkeit haben unsere Musik zu Hause zu präsentieren. (Anm. d. Red. Mother Tongue sind in Europa weit mehr erfolgreich, als in ihrer Heimat, den Staaten)

Euer erstes Album wurde von Sony veröffentlicht. Dann seid ihr zu dem Indielabel Nois-O-Lution gewechselt. Könntet ihr euch vorstellen wieder bei einem Majorlabel zu unterschreiben?

David: Sicher. Es geht immer ums Geschäft. Ob du nun Cola oder Pepsi trinkst, ist immer das Gleiche. Wer auch immer unsere Musik am besten unter möglichst vielen Leuten verbreiten kann, bekommt den Zuschlag.

Manche Major- Labels behandeln ihre Künstler aber doch nicht gut?

David: Das selbe machen auch Indie- Labels. Das ist das Gleiche. Ich hab viele Freunde bei Major- Labels. Sie machen ihren Job, lieben die Bands, aber meistens zahlt es sich dann nicht aus. So ist das Geschäft. Niemand interessiert es, ob du einen Irokesen hast, solange sich deine Platten gut verkaufen.

Das ist überraschend, weil gerade in den Medien die Indie- Labels als die Guten dargestellt werden.

David: Stimmt. Ich glaube die Medien bevorzugen die Indielabels, weil sie spezialisierter sind. Aber wenn ich die finanzielle Seite betrachte, sehe ich keinen Unterschied zwischen Indie- und Major- Labels. Bei den Majors handelt man meiner Meinung nach sogar ehrlicher, weil man von vorneherein sagt, ich nehme nur die Bands oder Künstler unter Vertrag, die dann auch viel Geld bringen. Bei den Indie- Labels läuft das oftmals unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Wie schreibt ihr eure Songs? Entstehen sie durch Jam- Sessions, oder nach einem bestimmten Muster?

Bryan: Das geschieht mal so, mal so. Wenn wir zum Beispiel mal eine Jamsession auf Tape aufnehmen, dann sagt vielleicht einer, meistens David, “Hey, das ist cool!”, aber dem Rest gefällt es nicht. Monate später gräbt einer das Tape wieder aus und sagt “Hey, das ist cool!” und David sagt “ Ich hab doch gesagt, dass das cool ist!” Und so entsteht ein Song. Manchmal ist es aber auch so, dass einer mit einem fast kompletten Song reinkommt und sagt “Hey, ich hab einen Song. Er geht so. (spielt einen x-belibigen Akkord auf der Gitarre)

David: Hey das war cool!

(allgemeines Gelächter)

Bryan: Daran arbeite ich gerade. Jedenfalls bleibt die Songidee nie so wie sie ist. Jeder steuert seinen Teil dazu bei und verändert ihn dadurch ein wenig. Es gibt keine feste Rollenzuweisung, wer was zu spielen hat. Also gibt es keine bestimmte Art und Weise, nach der wir beim Songschreiben vorgehen.

Kommen wir zu eurem bevostehenden Album. Habt ihr schon mit den Aufnahmen begonnen?

David: Wir haben ja gerade die EP aufgenommen. Welche Songs davon auf dem neuen Album drauf sein werden wissen wir noch nicht. Aber ansonsten haben wir noch nicht konkret mit den Aufnahmen begonnen. Wir planen aber diesmal mehr Songs aufzunehmen. Es soll ein Doppelalbum werden.

Habt ihr schon konkrete Ideen für das Album?

David: Ich denke jedes Album klingt irgendwie anderst als die Vorgänger. Das passiert einfach so, das planen wir nicht mit Absicht. Es wird sich aber trotzdem wie ein Mother Tongue Album anhören.

“Jr. got shot” von der EP geht sehr in die Psychedelic Richtung und hebt sich für deutlich von den anderen Mother Tongue Songs ab.

David: Oh, danke! Dieser Song entstand schon vor sehr langer Zeit. Den hab ich mit 14 oder 15 geschrieben und das war der erste Song, den wir als Band geprobt hatten. Trotzdem hat er es erst jetzt auf die EP geschafft.

Ok, wir sind fertig. Wir haben jetzt noch ein kleines Geschenk für euch. (Wir überreichen ihnen eine Flasche Jim Beam) Die ist für Stuttgart, wo diese Bastarde all eure Drinks weggesoffen haben.

(Alle flippen aus und freuen sich wie kleine Kinder)

Bryan: Wir haben gar keinen Whiskey für heute abend. Das passt ja super! Vielen Dank!

Marcus Schmanteck

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