Konzertbericht

Mother Tongue


10 Minuten Warten. 20 Minuten Warten. 30 Minuten Warten. Jede Minute wird zu Ewigkeiten, denn die Vorfreude auf die Band, die sich heute im Karlsruher Substage die Ehre gibt, ist immens. Gilt sie doch als eine atemberaubende Liveband, die vor allem in Clubs ihre volle Stärke entfalten soll. Die Rede ist von dem amerikanischen Alternative Vierer Mother Tongue, der sich in seiner Heimat leider noch nicht von dem Status eines Geheimtipps absondern konnte.

Nach einer halbstündigen Verzögerung erklimmen die 4 Bandmitglieder nacheinander die gerade mal ein Meter hohe Bühne am Ende des auffallend niedrigen Raumes. Man kann nur froh sein, dass die Jungs keine Hünen in ihren Reihen haben, sonst würde es an dem heutigen Abend öfter zu Prellungen im Kopfbereich kommen. Ein Mitglied ist sogar schon in Mitleidenschaft gezogen. Der Gitarrist Christian Leibfried verletzte sich seinen Fuß bei einem Münchner Auftritt und nimmt nun vornehmlich vorlieb mit einem Stuhl. Aber einen auf krank machen gilt nicht. Es wird sich nämlich im Laufe des Auftritts zeigen, dass das Quartett eine schweißtreibende und Kräfte zehrende Vorstellung abliefert, die Ruhephasen nicht vorgesehen hat. Schweißtreibend auch in Bezug auf das Publikum, denn bei den kraftvollen Soul und Blues Riffs, die noch durch die Artikulationen der Bandmitglieder intensiviert werden, kann kaum einer still stehen. Der charismatische Hut-Träger David Gould, Bassist und Sänger, stolziert in seiner unnachahmlichen Weise die Bühne entlang, der Schlagzeuger Sasha Popovic beweist in tatkräftiger Deutlichkeit, welches Potential in ihm steckt, Bryan Tulao scheint in seiner Gitarre die Frau seines Lebens personifiziert zu sehen, und der schon erwähnte, gehandicapte Christian Leibfried besticht durch seine unruhige Stuhlakrobatik. Bemerkenswert ist, dass die Band, meistens in Person von David, die unmittelbare Nähe zum Publikum sucht und dadurch eine mitreißend pulsierende Atmosphäre erzeugt. Blöderweise können es 2 Idioten aus den vordersten Reihen nicht lassen, ab und an auf die Bühne zu kommen, um dort etwas bekifft in der Gegend rum zu stehen. Unsere 4 Vollblutmusiker scheint diese Tatsache jedoch nicht zu stören und sie konzentrieren sich weiterhin unentwegt auf ihr explosives Set. Verblüffenderweise spielen sie geradewegs alle(!) Lieder ihrer bisher erschienenen 3 Alben. Der Raum kocht aber vor allem bei den unnachahmlichen Bluesrockern "Burn Baby", "Damage" und "Broken" des selbst betitelten Debuts oder den eher souligeren Stücken "F.T.W.", "Trouble Came" und "Nightmare" auf "Streetlight". Aber auch aktuellere Stücke wie etwa "Dark Side Baby" und "That Man" von ihrem Werk "Ghost Note" verwandeln die luftarm schwülen Gemäuer des Substage in einen wahren Hexenkessel. Unfassbar, dass die Jungs physisch in der Lage sind nach ihrem vorgesehenem Set noch sage und schreibe 8 Zugaben zu spielen. Darunter sind 2 neue Stücke, die wohl auch auf ihrem kommenden Album einen sicheren Platz finden werden.

Als David, Sasha, Bryan und Christian nach über zweieinhalbstündiger Show die Bühne endgültig verlassen ist eines klar: Man merkt ihnen in jeder Sekunde an, dass sie mit Freude und Liebe ihre Musik präsentieren. Wie hieß es so schön bei unserem Helga-Rockt-Interview: "It´s just for the love of music". Eben.

Marcus Schmanteck