Rezension

Zugezogen Maskulin

Alles Brennt


Highlights: Ayahuasca // Plattenbau O.S.T. // Agenturensohn
Genre: Deutsch-Rap
Sounds Like: Grim104 // Testo // K.I.Z.

VÖ: 13.02.2015

Der Berliner Rapper MC Bomber disste kürzlich in Richtung Zugezogen Maskulin. „Weder links, noch lustig“ sind die beiden Norddeutschen Testo und Grim104 seiner Meinung nach. Dass er damit weit übers Ziel hinausschießt und nicht im Kern versteht, warum die beiden Wahl-Berliner vollkommen zurecht Feuilleton-Lieblinge sind, sollte nach ihrem Album „Alles Brennt“ ziemlich klar sein. Denn was im ersten Moment nach Humor und Persiflage auf trendigen HipHop klingt, wird auf den zweiten Blick von einer latenten betäubenden Tristesse durchzogen. Damit schaffen Zugezogen Maskulin den perfekten Soundtrack der Generation Y, greifen deren Erste-Welt-Probleme auf und dekonstruieren die Moderne vor unseren Augen.

Nach dem großartig grobschlächtigen Titelsong geht es inhaltlich direkt in die Vollen. Da wird die hedonistische Lebensführung Großstadtjugendlicher als selbstzerstörerisch entlarvt, bevor in „Plattenbau O.S.T.“ die perspektivlose Dorfjugend ihren Moment bekommt. Danach wird das Kiffen entromantisiert und die Tumblr-Blogs eines jeden „Agenturensohn“ werden belächelt. Und das ist nur ein kleiner Teil des Zugezogen-Maskulin-Mikrokosmos. In den zwölf Songs passiert so viel, dass es mehrere Durchgänge erfordert, bevor sich die ganze Genialität erschließt.

Raptechnisch spielen Testo und Grim104 in einer anderen Liga als die meisten ihrer Kollegen. Wer zehnsilbige Reimketten erwartet, der wird mit Zugezogen Maskulin keinen Spaß haben. Aber wieder muss man sagen: Darum geht es dem Duo auch nicht. Dafür ist der verbale Aufstand viel zu aufreibend und intensiv. Auf herausragenden elektronischen Produktionen keift Grim104 mit seiner prägnanten Stimme den Frust raus und lächelt dabei schelmisch, bevor der (etwas) introvertiert vortragende Testo herablassend den Rest erledigt. Spielerisch passen sie sich den Beats an und variieren ihren Flow oft genug, um die Spannung hochzuhalten.

Ob das nun wirklich so links ist, wie die Medien das manchmal aufnehmen, sei dahingestellt. Theoretisch finden sich nur einige wenige Hinweise. Beispielsweise, wenn „Beamer, Benz und Bentley“ durch „Lenin, Marx und Engels“ ersetzt werden. Wichtig sind vielmehr die ideologischen Werte, die man Zugezogen Maskulin anhört: Liberalität und Toleranz gegenüber Minderheit und die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion. Damit sind sie Teil der neuen Offenheit, die Einzug im hiesigen Rap gefunden hat.

Lustig ist das auch nur bedingt. Denn viel zu ernst sind die angesprochenen Themen eigentlich. Allerdings werden diese auf so intelligente Art vorgetragen, dass sich eben doch genügend Platz für das ein oder andere Wortspiel findet. Manche Sachen treffen eben so hart, dass man sie nur noch weglachen kann. In dieser Hinsicht sind Testo und Grim104 Meister ihres Fachs. Ob das nun links oder lustig ist, ist, wie eingangs bemerkt, eh nicht der Kern der Sache. „Alles Brennt“ ist inhaltlich ein gesellschaftskritisches Album geworden, das musikalisch hochaktuell daherkommt. Das ist die wahre Qualität. Da kann die Konkurrenz dissen, wie sie will, Zugezogen Maskulin sind auf dem besten Weg, ganz oben anzukommen.

Arne Lehrke

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