Rezension

Wintersleep

New Inheritors


Highlights: Experience The Jewel // Blood Collection // Mausoleum // Terrible Man
Genre: Indie
Sounds Like: R.E.M // Death Cab For Cutie // Interpol

VÖ: 14.05.2010

Na, besten Dank auch. Unter dem Begriff "Erbe" läuft in der Regel etwas Anderes als der Haufen Schrott, der da die neue Platte von Wintersleep bebildert. Wie geht man mit dem ganzen Müll als neuer Erbe – als „New Inheritor“ – also um, wenn die Überbleibsel der letzten Generation nicht ent-, sondern eigentlich ziemlich belasten? Wie wägt man emotionalen und materiellen Wert gegeneinander ab? Alles verschrotten oder aufräumen und dann zustauben lassen?

Schön wär's, ließe sich das Problem einfach so auf die Lage Wintersleeps übersetzen. Nun ist das eigene angehäufte Erbe immer das vorige Album. Und das war alles andere als chaotischer, unverwertbarer Schmarn. „Welcome To The Night Sky“ baute letztes Jahr ein Monument modernen Indierocks auf – darüber besteht nicht nur in unserer Redaktion Konsens. Und an der Wertung oben wird schon deutlich, dass es zu noch einer Großtat diesmal nicht reicht. Dennoch: Für sich genommen, ist „New Inheritors“ gelungen.

Windete sich der Vorgänger melancholisch wie majestätisch in zahllosen Tönen von Royalblau, wirft das inzwischen vierte Album der Kanadier lieber ein kräftiges Braun auf die Leinwand des Kopfkinos. Die Gitarren wirken lauter, die Harmonien spröder, die Songs gewichtiger. Klingt angesichts der zerbrechlichen Intimität von „Welcome To The Night Sky“ nach einem großen Schritt – dass aber da, wo Wintersleep drauf steht, nicht plötzlich Stoner Rock drin ist, sollte klar sein. Die Kanadier wagen sich weder nach vorn noch weichen sie nach hinten, sondern tapsen vielmehr zur Seite.

Geschickt platzierte Streicher grüßen mit hängendem Kopf nicht nur im stimmigen Opener „Experience The Jewel“, sondern melden sich pünktlich gegen Mitte der Platte im kunstvollen „Mausoleum“ zurück. Auch ein Weg, den roten Faden knotenfrei zu spinnen. Andernorts stehen treibendere Nummern wie „Black Camera“oder „Terrible Man“, die in ihrer Direkt- und Einfachheit zukünftige Setlists der Band clever bereichern werden. Der Facettenreichtum des Vorgängers – man vergleiche nur Songs wie „Drunk On Aluminum“, „Archeologists“ oder „Weighty Ghost“ mal untereinander – bleibt aber außer Reichweite.

„New Inheritors“ hätte ohne die ruhmreiche Hinterlassenschaft der Band mehr bewegt. Ganz ins Bild passend übrigens: Im Gegensatz zum zugemüllten Cover der Platte zeigt die Rückseite denselben Raum, nur ganz und gar leer – tabula rasa. Wintersleep selbst hätten es so leichter gehabt. Immerhin was gelernt: Auch ein gutes kann ein schweres Erbe sein.

Gordon Barnard

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