Rezension

Urlaub In Polen

Health & Welfare


Highlights: Wanderlust // Inkin Ark // A Case From Getting From C To D
Genre: Elektro
Sounds Like: Primal Scream

VÖ: 27.10.2006

Da ist es wieder, das ungute Gefühl, wenn man eine Band einer Musikrichtung zuordnen soll, man es aber einfach nicht kann. Urlaub in Polen sind das beste Beispiel dafür. Mit welcher Band kann man sie vergleichen? Primal Scream? Trifft es eigentlich überhaupt nicht, aber zumindest in der Stilvielfalt kann Primal Scream da mithalten, auch wenn Bobby Gillespie seine Stilwechsel klar von Platte zu Platte trennt. Urlaub In Polen tun dies nicht und das ist auch gut so. Beats, Dub, Gitarre, Pop, Rock, mal funkig und jazzig - relaxt und unaufgeregt präsentiert sich das Kölner Duo im Jahr 2006. Vorhang auf für „Health & Welfare“, ihr mittlerweile drittes Album.

Nach einem andächtigen Rauschen eröffnen Urlaub In Polen ihr Werk. „Wanderlust“ beginnt den Songreigen mit minimalistischen Beats. Der Dub drückt dem Stück den Stempel auf. Es geht entspannt zu, ebenso in „Beatrice“. Das Tempo wird allerdings angezogen, das Schlagzeug treibt das Stück nach vorne, ohne dabei auszubrechen. Das Stück wabert voran, perfekt für eine Autobahnfahrt.

„Inkin Ark“ beginnt mit elektronischem Robotersprechgesang, ehe der Song sein Orwurmpotenzial entfacht. Sobald die Gitarren die Oberhand gewinnen, fährt der Song seine Krallen aus. Wer hier nicht mitzuckt oder mit dem Kopf zum Takt nickt, dem ist nicht mehr zu helfen. Ein herrlicher Refrain, aber trotz alledem mit einer fast schon beängstigenden Gelassenheit.

Gleich darauf folgt leider der Tiefpunkt der Platte. „D.T.W.I.L..“ nervt einfach nur. Dass die Platte die 80er-Jahre zum Vorbild hat, ist deutlich zu hören. Eben besagter Song verwurschtelt allerdings in einer unsäglicher Art und Weise das schon nicht besonders gute Original von Melissa Etheridge („Like The Way I Do“). Nach dem Tiefpunkt folgt der nötige Break.

Mit Gitarrengeschrabbel und wabernden Synthesizern wird die Trilogie „A Case Of Getting From“ eingeleitet („A To B“). „B To C“ versöhnt wieder mit dem davor gebotenen Murks. Geradliniger Pop mit minimalistischer elektronischer Unterstützung leitet über zu „C To D“, einem weiteren Highlight des Albums. Es hätte auch gut auf „Parsec“, dem Debüt, gepasst, wäre da nicht dieser kompromisslose Drumpart in der Mitte des Titels. Fast eine Minute lang dominieren die Beats, um dann wieder zur anfänglichen Songstruktur zurückzukehren, ein Song wie ein Sandwich.

„Crash“ kommt daher wie „Phantom der Oper“ auf Speed. Eine entgleiste Orgel lässt aufhorchen, ansonsten wird der schon gewohnte lässige Urlaub In Polen-Sound mit Pop-Charakter geboten. Leider enttäuscht das folgende „Gallina“ wieder ein wenig. Das Bluesschema ist zwar interessant, mehr aber auch nicht. Es langweilt auf die Dauer, zudem kommt es mir bekannt vor. Ist dies auch ein Cover? Egal, es schadet der Platte. „The Health & Welfare“ beschließt schließlich das Album in unspektakulärer Weise auf hohem Niveau.

Es gibt viel Gutes zu entdecken auf dem neuesten Streich von Urlaub In Polen. Ausfälle sind die Seltenheit. So bleiben von den elf Stücken sieben musikalische Perlen übrig, die aufhorchen lassen. UIP sind wieder einen Schritt voran gekommen. Relaxter sind sie geworden, und das merkt man an allen Ecken und Enden. Ein Platte zum genießen. Zumindest zum größten Teil. Sehr gut.

Joachim Frommherz

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