Rezension

The Whip

X Marks Destination


Highlights: Trash // Frustration // Blackout // Muzzle No.1
Genre: Dance-Rock // Elektropop // Madchester
Sounds Like: New Order // Daft Punk // The Faint // Kraftwerk // Happy Mondays

VÖ: 06.06.2008

Es gibt Dinge, für die können die meisten Bands in der Regel herzlich wenig. Berühmt werden zum Beispiel. Schließlich gibt es immer noch (oder sogar: immer noch mehr) äußerst fähige Formationen, deren Bekanntheitsgrad sich auf ein paar kleine Clubs und Jugendzentren der Heimatstadt beschränkt, nur weil ihnen das Glück fehlte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort und in Gegenwart der richtigen Personen aufzutreten. Oder: einen neuen Trend aus dem Boden stampfen. Gut, das ist vielleicht schon eher Sache der Bands selbst, allerdings oft auch nicht beabsichtigt. Oder: negative Vorschusslorbeeren ernten. Das zum Beispiel geht in letzter Zeit ganz einfach. Voraussetzung dafür: man kommt aus England und macht Musik, die zumindest entfernt etwas mit Elektro zu tun hat. Schon kommen die selbsternannten Kritiker (oftmals, ohne auch nur einen einzigen Song der Gruppe gehört zu haben): Iiiihhh, schon wieder so ein New-Rave-Abklatsch.

Aber: läuft irgendeine von diesen ganzen Gruppen (abgesehen von den Klaxons) tatsächlich in hautengen Neonklamotten durch die Gegend und wirft dem Publikum vor Konzertbeginn erst mal ein paar hundert Glowsticks auf die Tanzfläche? Wohl eher nicht. Auch The Whip aus Manchester tun das nicht, werden aber trotzdem immer wieder mit kleinen britischen 14-Jährigen, die sich mit ihren Outfits self-ownen, in Verbindung gebracht. Dabei hätte man doch so viele schönere (und auch zutreffendere) Assoziationen, die man The Whip entgegenbringen könnte. Alleine die Heimatstadt des Quartetts ruft schon genügend hervor, gerade in elektronischerer Richtung. New Order beispielsweise springen einen da als erstes förmlich an, denn The Whips erste Vorabsingle „Frustration“ könnte ebenso gut deren letzteren Veröffentlichungen entsprungen sein. Oder 808 State, zu denen das dreckige und zerfahrene „Divebomb“ leichte (wenn auch wirklich nur marginale) Assoziationen weckt. Ein Mash-up aus Justice, Kraftwerk und Aphex Twin trifft da schon eher die Referenz-Zielscheibe.

Gerade „Divebomb“ übrigens dürfte unter regelmäßigen Clubgängern schon kein Unbekannter mehr sein. Schuld sind die Jungs von Kitsuné, dem Pariser Trendsetter unter Musik- und Modelabels, die den Track auf die vierte ihrer „Maison Compilations“ packten und zudem noch als Single veröffentlichten. Und wer die Discographie der Franzosen einen Schritt nach hinten verfolgt, entdeckt auf Maison Nummer drei zudem noch „Trash“, gewissermaßen den Ursprung aller Peitschenhiebe (Vorsicht: Wortspiel) aus Manchester. Und der hat es weiß Gott in sich. Wie ein aufziehendes Gewitter baut sich der Song mit drückender Bassdrum und supereingängigem Basshook auf, dazu Bruce Carters sonore Stimme, die die minimalistischen Lyrics im Stile von Rammsteins „Du Hast“ vorträgt. Nur um sich dann mit einem Schlag zu entladen: I wanna be trash schrien in Europa und Japan schon ganze Clubs und ließen selbige in ihren Grundfesten erschüttern.

Viel mehr hat „X Marks Destination“ in Bezug auf Lyrics zwar über die komplette Distanz nicht zu bieten, doch zum Glück für das Album ist das an dieser Stelle herzlich egal. Einem Pubkeller entsprungen, ist das Revier der Klänge des Quartetts aus Manchester eindeutig das Nachtleben – nur für die getragen-poppigen „Save My Soul“ und „Sirens“ hätte man sich vielleicht stärkere Songtexte gewünscht. Doch wen interessieren die zum Beispiel bei „Blackout“? Messerscharfe Basshooks fahren einem so unvermittelt in die Beine, dass man ebenso gezwungenermaßen zu tanzen beginnt, als hätte jemand ein paar Kugeln in den Boden unter den eigenen Füßen gejagt, und wenn der Song eigentlich schon vorbei ist, wird noch ein paar Minuten lang munter weitergejammt. Und natürlich auch weitergetanzt. Etwas vollkommen neues haben The Whip damit natürlich nicht geschaffen, weswegen „X Marks Destination“ sicherlich kein zweites Madchester hervorrufen wird – allemal jedoch eine gelungene Hommage an die eigenen Elektro-Heroes der letzten drei Jahrzehnte. Better get ready for the after-party.

Johannes Neuhauser

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