Konzertbericht

The Whip


Deutschland hat gelernt: Da erzürnt man sich in den letzten Jahren auf zu vielen Konzerten über diesen Typ Zuschauer, der bei jedem einigermaßen herausstechenden Beat die Pranken hochreißt und mitklatscht, so dass man einen Hauch bis pure Fremdscham verspürt, aber jetzt scheint dieses Problem weitestgehend verschwunden zu sein, endlich. Nur The Whip finden´s nicht so toll.

Doch zunächst einige Worte zur reizenden Vorband, mit dem vor allem reizenden Namen Fickscheisse: Stimmenüberschlagende Ruflaute. Deutsche Sprache. Notebookcharme. Abgehackte Bewegungen. Und steile Frisen, die 17-jährige Gesichter umsäumen. Anders als ihr Name klingt ihr Sound überraschend gut und ist vor allem tanztauglich. Eine Band, wie sie zur Zeit aus vielen Böden sprießt, die zur Zeit sehr gut ankommt, und die ihr Ding sehr gut macht.

Anschließend trifft man The Whips kleine und zierliche Drummerin Lil Fee in der Frauenkloschlange. Während angetrunkene Mädchen ihre Haare im Spiegel richten, lehnt sie gelangweilt an der Wand und kaut auf ihren Fingern rum.

Es gibt ja solche Bands, deren Alben hört man mit der leisen Ahnung, man könnte live durchaus enttäuscht werden. The Whip gehören für manch einen sicherlich dazu. Wer so dachte, hat sich geschnitten. Es folgen mehr als eine Stunde treibende, stimmlich perfekte Songs. Bruce Carters perfekt arrangierten Haare lösen sich im Laufe des Konzerts unter Schweißrinnen auf, Bassist Nathan Sudders heizt mit Blicken und Armbewegungen die Menge an, Danny Savilles Elektrobeats übertünchen alles andere, so dass man Lil Fees Schlagzeug gar nicht wirklich wahrnimmt, es aber auch nicht missen möchte. Viel Gerede braucht es nicht. Bei Muzzle #1 und Divebomb liegt eine solch spürbare Euphorie und Tanzwut im Raum, wie man es selten erlebt, und vor allem am ehesten bei Trash erwarten würde. Der wird dann erst als letzter Song der Zugabe gespielt, und weil man vorher schon überaus positiv überrascht wurde, sticht er gar nicht mehr so sehr heraus. Trotzdem: Über eine Stunde lang feiert und tanzt und schwitzt die dichtgedrängte Menge, während draußen die zweistelligen Minusgrade klirren.

Auch wenn immer wiederkehrende Versuche, das Publikum zum Klatschen oder Zeigefinger-energisch-in-die-Luft-pieksen zu animieren, scheiterten, und man sich wieder fremdschämte für die langweiligen Deutschen. The Whip ließen den eigenen und unseren Schweiß fließen, übertrafen jede Erwartung und bescherten uns ein einwandfreies Konzerterlebnis.

Stefanie Graze