Rezension
The Claypool Lennon Delirium
South Of Reality
Highlights: „Boriska“ // „Amethyst Realm“ // „Toady Man's Hour“
Genre: Psychedelic Rock
Sounds Like: The Beatles // Pink Floyd // Frank Zappa
VÖ: 22.02.2019
Als Primus-Kopf Les Claypool und Sean Lennon (ja, der Lennon) 2016 ihr verspultes, aber gutes Kollabo-Album „Monolith of Phobos“ vorlegten, klang das eher nicht nach dem Beginn einer langen Bandgeschichte. Vielmehr schien es, als hätten sich hier zwei musikalische Querköpfe mal produktiv ausgetobt – Fortsetzung offen. Nun geht die Freakshow mit „South of Reality“ tatsächlich in die nächste Runde – gereift, aber deshalb nicht weniger verrückt.
Südlich der Realität brummelt Claypools unverwechselbarer E-Bass präsent wie eh und je. Zerfuzzte E-Gitarren und Mellotrone zerteilen den Äther und lassen Lyrik zwischen bissiger, Zappa'esker Gesellschaftskritik und blankem Nonsens auf weichen Kissen aus Pop-Melodien hindurchwabern. War „Monolith of Phobos“ oft aber noch mehr Experiment als Songsammlung, hat der Nachfolger nun öfter den kompletten Song vor dem glasigen Auge. Was nicht ausschließt, dass jeder davon auf andere Art und Weise speziell klingt.
Im Opener „Little Fishes“ fügen sich Claypools rumpeliger Tieftöner, Lennons glockenhelle Gitarrenharmonien und Kinderlied-Melodieführung wie aus dem Pink-Floyd-Frühwerk über sechs Minuten zu einem reduzierten, aber schlüssigen Song-Skelett zusammen. Ganz anders die Spacerock-Ballade „Boriska“, die sich mit Streichern und Vocoder ein Wettrennen gen Orbit mit Bowies Major Tom liefert und wohl vor allem auf Sean Lennons Kappe geht. Das deutlich angefunkte „Easily Charmed By Fools“ sowie die Slapbass-Orgie „Toady Man's Hour“ könnten dagegen auch Primus-Songs sein, wenn nicht ständig psychedelische Jam-Parts und fluffige Chorusse dem erdigen Sound fluffige Wölkchen aus ungeklärten Substanzen entgegenpusten würden.
Herzstück des Albums ist das fast achtminütige „Amethyst Realm“: ein Progrock-Epos, das sich ohne jede Scham über mehrere Intensitätsstufen zu einem hinreißend dramatischen Refrain hochschaukelt. Sowas kann schiefgehen, aber Claypool und Lennon stehen das Kunststück mit Bravour und verlieren nie den Spannnungsbogen aus den Augen – ein Satz, der auch für „South of Reality“ an sich Gültigkeit hat und der angesichts der schrägen Ingredienzien, die das Duo hier wieder zusammenrührt, alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
Experiment zum zweiten Mal geglückt – die Freakshow möge weitergehen!
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