Rezension

SoKo

My Dreams Dictate My Reality


Highlights: Who Wears The Pants??? // Bad Poetry // Temporary Mood Swings
Genre: Dream-Pop // Lo-Fi-Rock
Sounds Like: Haim // La Sera // The Cardigans

VÖ: 27.02.2015

Das erste Album „I Thought I Was An Alien“ der französischen Sängerin SoKo ist mittlerweile schon drei Jahre alt. Damals gab es gleichermaßen positive wie negative Resonanz. Ihr wohlgesonnene Musikliebhaber lobten die ehrliche, fragile Art, in der SoKo ihr Innerstes offen legte. Kritiker hingegeben mokierten die direkten, simplen Texte, die wirkten wie die Tagebucheinträge eines Teenagers mit Liebeskummer. Ein besonderes Merkmal der englischsprachigen Popsongs erkannten allerdings beide Parteien gleichermaßen: Der charmante, wenn auch klischeehafte französische Akzent, mit dem sie den Herzschmerz artikulierte, war eigen und lag wie Zuckerguss auf den zurückgenommenen Produktionen. Trotzdem geriet das Album nach und nach wieder in Vergessenheit, bevor eine virale Sensation SoKo aus der Versenkung hervorholte und ihr im Frühjahr 2014 einen erneuten Hit bescherte. Das Video der fremden Menschen, die sich zum ersten Mal treffen und sich küssen sollen, war eine Sensation, drückte emotional die richtigen Knöpfe und zog einige Parodien nach sich – immer unterlegt mit dem Song „We Might Be Dead By Tomorrow“ vom ersten SoKo-Album. Trotzdem dauerte es noch ein ganzes Jahr, bevor der Nachfolger „My Dreams Dictate My Reality“ erschien. Und das ist keine Überraschung, denn das Album hat relativ wenig mit dem Vorgänger zu tun.

Der erste und vielleicht wichtigste Punkt ist, dass SoKo nicht mehr so auffällig mit ihrem Akzent kokettiert. Das passt allerdings sehr gut zu dem Lo-Fi-Rock voller Hall, den sie mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein aus sich schreit, als wäre die letzte Träne geheult, der finale Tagebucheintrag geschrieben und das endgültige große „Fuck You“ an den Ex-Freund herausgepresst. Cover-Motiv wie auch musikalische Ausrichtung orientieren sich deutlich an den 80ern und laden zur ausgelassenen Nacht unter sternenklarem Sommerhimmel ein. Also alles ganz anders im Hause SoKo? Nun ja, nicht ganz. Auch wenn sich mit Songs wie beispielsweise „Temporary Mood Swings“ astreine Tanzstücke auf dem Album finden, leidet SoKo laut eigener Aussage immer noch am „Peter Pan Syndrome“. Denn so eine Reifung braucht schließlich Zeit. So gibt es natürlich immer noch die traurigen Momente, nach denen sich die frankophilen Teenage-Fans vom ersten Album sehnen und die beiden Songs mit Ariel Pink sind kitschig wie ein Kussfoto auf dem Eiffelturm.

Von dem Vorwurf, ein melancholiches, verletzliches Pop-Sternchen zu sein, ist SoKo nach „My Dreams Dictate My Reality“ vorerst freigesprochen, auch wenn verschleppte Stücke wie „Visions“ und besonders das ruhige „Keaton's Song“ einen gelegentlichen Rückfall vermuten lassen. Mit dieser Wandlung hat vermutlich gerade nach dem letztjährigen erneuten Erfolg eines ihrer introvertierten Stücke kaum einer gerechnet, aber ihr Mut wird belohnt. Die Stücke auf ihrem neuen Album strotzen vor Energie und der emotionale Zusammenbruch ist vielleicht nicht endgültig überstanden, aber SoKo kann wieder träumen und man drückt ihr die Daumen, dass ihre Realität bald genauso aussieht. Vielleicht tut sie das sogar schon. In diesem Fall herzlichen Glückwunsch.

Arne Lehrke

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