Rezension

Sharon Van Etten

Are We There


Highlights: Your Love Is Killing Me // Tarifa // I Love You But I’m Lost // You Know Me Well // Every Time The Sun Comes Up
Genre: Singer/Songwriter // Indie-Folk
Sounds Like: Wye Oak // Angel Olsen // Cat Power

VÖ: 23.05.2014

Da hat sich die schöne Dame van Etten doch nach ihrem wundervollen 2012er Album „Tramp“ tatsächlich Sorgen gemacht, ob sie es noch kann. Also viel mehr, ob sie es alleine noch kann. Denn damals hatte sie eine ganze Reihe prominenter Unterstützung, war lange Zeit mit Aaron Dessner (The National) im Studio. „Tramp“ wurde eine mitreißende, emotionale Platte. „Are We There“, den Nachfolger, hat Sharon van Etten nun wieder ganz alleine gemacht – und sie beweist eindrucksvoll, wie gut sie es kann und wie unbegründet ihre Sorge war.

War „Tramp“ der laute, emotionale Aufschrei, so ist diese Platte ein stilles Manifest, das nicht weniger mitreißend ist. Die Intensität der Platte ist von den ersten Tönen des programmatischen Openers „Afraid Of Nothing“ an zu spüren. Im Vergleich zum gitarrenlastigen Vorgänger spielt hier das Klavier die erste Geige. All die direkten und ehrlichen Songs sind dicht gestrickt und alle für sich versprühen einen kleinen, warmen Zauber. „Are We There“ ist ähnlich mitreißend wie „Tramp“, aber mitreißend im Stillen. Es packt den Hörer vorsichtig an, berührt ihn behutsam, dafür aber umso intensiver. Die Platte ist genau die richtige Reaktion nach „Tramp“ – eine durchatmende Besinnung Sharon van Ettens auf sich selbst.

„Are We There“ ist eine hochemotionale Platte. Das Cover ist geschmückt von einem Moment des absoluten Sich-Treiben-Lassens. Es zeigt eine alte Freundin, mit der van Etten immer, wenn sie daheim in Tennessee ist, Roadtrips, begleitet von lauter Musik und Ausgelassenheit, macht. Eine Art kathartische Handlung, ähnlich kathartisch wie die Platte. Einmal mehr behandelt Sharon die dunkleren Seiten der Liebe. Eine große Liebe zerbrach an Sharons musikalischem Traum, zu dem nun mal auch ständiges Unterwegssein gehört. Auch die Musik vermittelt in ihrer Ausgeladenheit ein ständiges Gefühl des Sich-Treiben-Lassens und trägt die Stimmung des Covers weiter. Van Etten weiß genau, wann weniger mehr ist und wann aber auch nicht. Geschickt setzt sie ihr markantestes Stilmittel ein, ihre gedoppelte Stimme. Sie verleiht der Musik an den richtigen Stellen eine gewisse Gewichtung.

Und dann erst die Songs an sich: Wie großartig ist bitte „Your Love Is Killing Me“? So viel Dichte hält Sharon van Etten selbst kaum aus. Diese Aussage aus einem Interview glaubt man ihr gern. Was für ein kleiner, wundervoller Song ist bitte „I Love You But I’m Lost“? „Every Time The Sun Comes Up“ hat jetzt schon einen festen Platz auf allen Sommermixtapes der kommenden Jahre. Hier zeigt Van Etten zum Abschluss sogar ein kleines Augenzwinkern. Der Text entstand improvisiert und bietet die ein oder andere schräge Note („I washed your dishes but I shit in your bathroom“). Heimliches Highlight der Platte ist „You Know Me Well“. Wenn man den Song laut genug in einem Raum hört, kann man vielleicht die Luft darin zersägen. Die Musik Sharon van Ettens erreicht ein neues Level an Intensität, gegen die man kaum ankommt. Are We There? Mit dieser wunderbaren Platte im Gepäck spielt das eigentlich keine Rolle.

Daniel Waldhuber

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