Rezension

Mount Eerie

A Crow Looked At Me


Highlights: Real Death // Seaweed // Crow
Genre: Lo-fi // Singer-Songwriter
Sounds Like: The Microphones // Sun Kil Moon

VÖ: 24.03.2017

Anfang Juli erliegt die Künstlerin Geneviève Castrée ihrem Krebsleiden. Zurück lässt sie ihren Ehemann Phil Elverum, bekannt als Mastermind von The Microphones und Mount Eerie und ihre gemeinsame, damals einjährige Tochter.

Alben über den Tod gibt es viele. Generell ist der Tod eines der zentralsten Motive der Musik. Aber "A Crow Looked At Me" ist anders. Weder die narrativen Songs von Sun Kil Moons “Benji” noch das energiegeladene, wütende “Stage Four” von Touché Amoré klingt so roh und direkt, nicht mal die Geschichte eines Kinderhospizes auf “Hospice” von The Antlers mit seinen einschneidenden Instrumentalparts lässt eine Bedrückung entstehen wie hier.

Elverum hat den Tod seiner Frau noch nicht verarbeitet, er hat ihn noch nicht einmal ganz begriffen. Er spürt sie in dem Raum, in dem sie starb, er sieht sie in der Natur, in die er sich flüchtet. Er zieht Parallelen zu einem Waldbrand, dieser vernichtenden Naturgewalt, aber will die Zerstörung nicht wahrhaben. I reject nature // I disagree. Doch er weiß auch, dass am Ende alles real ist. Dass die Weigerung, den Tod anzuerkennen, ihn nicht ungeschehen macht. Death is Real // Someone's there and then they’re not // And it's not for singing about // It's not for making into art.

Die Bitterkeit, mit der “A Crow Looked At Me” die Katharsis ablehnt, ist schockierend. Nicht nur, weil Phil Elverum in seiner Musik keinen Frieden findet, sondern auch, weil er seine eigene Rolle als Künstler ablehnt.

Die Texte des Albums sind teilweise so direkt, dass sie sich wie ein Schlag in die Magengegend anfühlen. Wenn Elverum in “Real Death” erzählt, wie er eine Woche nach dem Tod seiner Frau ein an sie adressiertes Paket bekommt, das einen Schulranzen für die gemeinsame Tochter enthält und daraufhin weinend zusammenbricht, ist man ihm so nah, dass es wehtut. Eine ungeschminkte Draufsicht auf einen Mann, der alle brutalen Details seiner Trauer offenbart. Elverum verpackt seine Trauer nicht in Metaphern, er stellt den Tod als das heraus, was er ist: Das Ende eines Lebens. Und die Leere für die, die zurückbleiben.

We are always so close to not existing at all // Except in the confusion of our survived bys grasping at the echoes

“A Crow Looked At Me” ist ein besonderes Album. Es hat wunderschön melancholische Melodien, es hat unfassbar berührende Texte. Es ist aber auch die schonungslos direkte Art und Weise, mit dem Tod eines geliebten Menschen umzugehen. Dabei wird eine Grenze der Intimität überschritten, aufgrund derer wir uns nicht anmaßen wollen, eine Bewertung abzugeben.

Lewis Wellbrock

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