Rezension

Madsen

Frieden im Krieg


Highlights: Nitro // Du bist wie du bist // Liebeslied
Genre: Indierock
Sounds Like: Sportfreunde Stiller // Bosse // Angelika Express

VÖ: 07.03.2008

Deutsche Musik hat es in der Regel nicht einfach. Deutscher Indie sowieso nicht. Entweder ist er zu schlau (Tocotronic) oder zu dumm (Virginia Jetzt!) und alles andere wird in die jeweils passenden Schubladen gepackt. Madsen hatten einst den prominentesten Fürsprecher, den Mann, dem das Indievolk eh zu Füßen liegt: Thees Uhlmann. Was sie bei Tomte-Hassern sicher nicht beliebt machte, dem Rest der Nation und den Musiksendern aber gefiel. "Die Perfektion" lief bei MTViva rauf und wieder runter, kein Festival kam ohne sie aus und alle waren oder taten begeistert. Mit Album Nummer zwei "Goodbye Logik" wurde es dann etwas ruhiger. "Du schreibst Geschichte", der Single-Hit, lief nicht mehr ganz so oft, es waren weniger Festivals, aber irgendwie war das Ganze angenehmer. Diese Ruhe nach dem Hype. Die zweite Platte war die bessere und spannendere, die Band blieb angenehm auf dem Boden und schraubte am Nachfolger.

"Frieden im Krieg" heißt er und als Produzenten engagierte die Band aus dem niedersächsischen Wendland statt Sven Bünger diesmal O.L.A.F. Opal, der bereits für The Notwist, Readymade, Kante, aber auch Juli die Regler im Studio bediente. Der strich nicht nur sämtliche Streichinstrumente, sondern schickte Sänger Sebastian zum Einbrüllen vor die Tür. Die erste Single "Nachtbaden", immerhin Platz 4 bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest, zeigt die Früchte. Statt des gewohnten Schemas gesungener Strophen und gebrüllter Refrains, gibts hier gleich voll auf die Zwölf - dafür wird der Chorus schön brav gesungen.

Wie war das noch mit den Indie-Schubladen? Müde sei er von den Texten des deutschen Indierocks geworden, meint Sebastian Madsen. Zuviel Klagen und Leiden und Selbstmitleid, alles schwammig und unverständlich verpackt. Davon nimmt er seine Band und seine Lyrics nicht aus. Die Inspiration für den besten Song nahm er aus Gus van Sants Film "Elephant", einer Aufarbeitung des Columbine-Attentats. "Woher kam bloß all seine Wut? / Sie haben ihm Nitroglycerin in die Adern gespritzt / Dort wo es am meisten schmerzt" heißt es in "Nitro". Diese Ohnmacht nach Attentaten wie eben jenem vor neun Jahren, und die üblichen Aussagen, dass der Täter doch ein ruhiger, junger Mann war, von dem man es nie erwartet hätte.

Eines der charmantesten Liebeslieder der letzten Jahre war sicher "Ein Kompliment" der Sportfreunde Stiller. Ohne Süßwarenabteilung im Supermarkt kommen Madsen in "Du bist wie du bist" aus. Im Gegenteil, "Du trägst keine Uniform und bist nicht nummeriert / Du bist wie von Hand gemalt und nicht fotokopiert / Du kennst deine Schwächen und gestehst dir Fehler ein / Du bist kein perfekter Mensch und willst es auch nicht sein / ... / Du bist wie du bist, etwas Besonderes für mich". Keine Regenbogenfarben, keine Schmetterlinge, aber reales, aufmerksames Tollfinden macht manchmal wesentlich mehr her.

Im Helga-Interview kurz nach der Veröffentlichung von "Goodbye Logik" meinte Sebastian Madsen, er sei durch und durch zufrieden. Kaum zu glauben, dass dies zu steigern ist, aber nach dem Abschluss von "Frieden im Krieg" dürfte er noch zufriedener sein. Madsen haben ein gutes drittes Album hingelegt. Musikalisch hat sich die Band nicht neu erfunden, dafür wurde an den Feinheiten gearbeitet. So steuert Micha Acher von The Notwist beim Song "Vollidiot" die Bläserparts bei, insgesamt klingen die Lieder etwas rauer und echter. Auch im Songschreiben wurde zugelegt. Eine Band, die sich von Album zu Album steigern kann. Da bleibt nur noch die Frage, welche Schublade am Ende für Madsen übrig bleibt. Oder wird es endlich Zeit, sich vom Schubladendenken zu verabschieden?

Martin Korbach

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