Rezension

Jamie T

Panic Prevention


Highlights: Dry Off Your Cheeks // Ike and Tina // If You Got The Money // Calm Down Dearest
Genre: BritPunkGrimeFolk ... oder was?
Sounds Like: Arctic Monkeys // The Streets // The Clash // UB 40

VÖ: 02.02.2007

Wie ... also, wie bitte, kann ein - 1 - einzelner Mensch ein so abgefahrenes Album produzieren? Wie ist das möglich? Es gibt Hypes, die vergisst man lieber (Arctic Monkeys), und ein Jahr später kommt dann der potentielle Hype um die Ecke, der an der gleichen Stelle ansetzt, aber dafür alles richtig macht.

Also Vorhang auf für: Jamie Treays aka Jamie T.

Allein die Referenzen im Sinne von "wenn Du das magst, hör hier mal rein", würden eine Seite füllen und dem britischen Jungspund dennoch nicht gerecht werden. Verkürzt vereint Jamie T auf seinem Debüt "Panic Prevention" alles von Britpoppigem Punk und Post-New-Wave über Folk und UK-Garage bis Reggae, Ska und Dub - in aufsteigender Reihenfolge. Zwölf Tracks, die übersprudeln an schrägen Ideen, verbinden sich mit Geschichten aus dem britischen Nachtleben der Hoffnungsträger und Hoffnungslosen zu einem Album, an dem sich die tanzbare Popmusik dieses Jahr messen lassen muss.

Dabei mag Pop nicht sofort als Beschreibung einfallen. Besonders im Anhören des rohen Punkfolks des Eröffnungstracks "Brand New Bass Guitar" fällt es schwer, im Rest ein Pop-Album zu erwarten. So führt uns Jamie T nicht nur hier auf eine falsche Fährte. Folk trifft uns noch einmal in "Back In The Game", einem herrlich britisch proletarischen Akustik-Song. Den Pop der Marke mittlere 00er Jahre präsentiert dann "Salvador". Immer noch durcheinander wie mein Sockenschrank, aber tendenziell schnell in die ausgelutschte Trend-Ecke der letzten zwei Jahre gesteckt. Eine Schublade, die von der alkoholgeschwängerten Atmosphäre einer "Night at the Disco" karikiert wird.

Die absurde Mischung, die dieses Album im Kern ausmacht, verdeutlicht das melancholisch abgestürzte "Calm Down Dearest". Was zu Beginn in Richtung The Streets zu deuten scheint, verschiebt sich zu einer knarrenden Indie-Pop-Ballade, kehrt zurück und dreht sich im Kreis. War Jamie Treays bei den Aufnahmen wirklich so hackedicht wie sein Held, oder...? Einer der Songs 2007? Oder ist das dann doch erst "So Lonely Was The Ballad"? Wunderschöne Melodie, guter Beat und intelligenter Text und einmal mehr dreht sich alles um die "Big Night Out" und das Leben auf der Überholspur. Nennt man so was Nachtbus-Romantik? Wenn ja, dann gehört auch "Sheila" dazu; eine Zeile wie "Sheila goes out with her mate Stella, it gets poured all over her fella" spricht für sich.

Die zweite Hälfte des Albums zeigt Jamie Ts Tanzflächenambitionen. Wo "Operation" noch Gang of Four Nachgänger ist, folgt mit Pacemaker "akustischer Drum'n'Bass". "Dry Off Your Cheeks" mischt Akustisches mit Synthetischem zu einer düster dahinschlurfenden Tanzeinlage. Mehr freaky als catchy. Ganz anders als "Ike and Tina". Klassischer Jungle-Beat, hübsche Melodie drunter, zupackend und tanzbar, eine sichere Bank. Ähnliches Konzept, andere Baustelle - Reggae, Ska, Punk und inklusive UB40-Sample - so kommt "If You Got The Money" daher. Ein Riesenspaß und ein Riesensong. Selbes gilt für den Grime-Dub von "Alicia Quays", zum Abschluss des Albums ein absolut tanzbarer Ohrwurm.

Und alles in allem? Wenn Bloc Party auf UB 40 und beide auf Mike Skinner träfen, käme vielleicht auch "Panic Prevention" heraus. Weiter: Fast jeder Song funktioniert sowohl als die weißeste Black Music seit Mike Skinner sowie auch als Indiefolkpunkrockpop für Mittelstandskinder, die auf den Hype warten. Wie das geht? Keine Ahnung! Aber vor allem: Was will der Junge noch machen? Das kann nicht besser werden, nur verschrobener, oder poppiger.

Oliver Bothe

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