Rezension

Hercules And Love Affair

Hercules And Love Affair


Highlights: You Belong // Blind // Iris // u.v.a.
Genre: Discoalternativepopdancehouseglitterindietronic
Sounds Like: Yazoo // Soft Cell // Antony

VÖ: 14.03.2008

Als der Schreiber dieser Zeilen mit dem hier zu besprechenden (Mach-)Werk bemustert wurde, stand er erstmal da wie der Ochs vorm Berg. Ein Sprung hinüber in den eigenen Raum der Hercules & Love Affair brachte ein grenzdebiles Lächeln auf seine Lippen. Antony Hegarty auf Disko, Schock.

Eigentlich handelt es sich zwar nicht in erster Linie um Antony, sondern um Andrew Butler. Antony sowie Nomi und Kim Ann sind dann mehr schmückendes Beiwerk. Verzierung jedoch, die erst den wirklichen Reiz von „Hercules & Love Affair“ ausmacht. Produziert haben das Projekt Butler selbst und DFAs Tim Goldsworthy.

Womit schon der Punkt für Kritik gekommen ist, ohne überhaupt gelobt zu haben. Je öfter sich der Hercules’sche Dance-Hybrid durch meine Hörgänge winden durfte, desto weniger berührten mich die Songs. Irgendwo zwischen End-Siebziger-Disko, klassischem House und dem bösen Post-Punk-Wort – in der 00er Definition – präsentieren die Hercules-Freunde technisch perfekt einen Dancepop, der so – in genau dieser Form – noch nicht gehört wurde. Nur irgendwie berührt er nicht, fehlt ihm Seele. Oder so scheint es im Moment. Antonys Gesang soll nicht ergreifen? Ja, und um das zu schaffen, muss schon viel schief gehen.

Doch ab von diesen gerade – zu diesem Zeitpunkt – subjektiven Mangelerscheinungen des Debüt-Albums des Projekts, staunt der Hörer und fragt sich verwundert, wie man sich erlauben kann, ein solch eingängiges, vielschichtiges und kreatives Album zu produzieren, das – obwohl im Kern immer Disko – Haken schlägt und Wendungen nimmt, dass einem die Augen größer und größer werden. Anders, falls jemand wissen will, wie man es schafft, den Hörer zu dem Versuch zu animieren, immer näher an oder gar in die Boxen zu kriechen, um bloß keine musikalische Pointe zu verpassen, sollte er „Hercules & Love Affair“ hören.

Frechheit mag also die vorherrschende Eigenschaft dieses Albums sein. Eine „quecksilbrige Beweglichkeit“, wie sie Sten Nadolny in seinem Roman „Ein Gott der Frechheit“ Hermes zugesteht, den er im gleichen Atemzug als „Gott … des Schabernacks“ bezeichnet, eine solche auditive und haptische Undeutlichkeit charakterisiert die disko-philen New Yorker um Andrew Butler. Unverschämt, übermütig, eine Posse. Wie ein übersprudelnder Klamauk kommt „Hercules & Love Affair“ daher, eine Komödie, der man sich kaum entziehen kann. Unterhaltsam in jedem Ton – aber nicht so den Hörer ergreifend, mitreißend, wie es möglich gewesen wäre – lädt sie zum Tanzen ebenso ein, wie zum Genießen des präsentierten Witzes. Obwohl die Tracks dabei nicht uneinheitlich klingen, mag es diese Überfülle an Ideen sein, die am Ende ermüdet oder zumindest die eigentlich wohlverdiente Anteilnahme an der Musik einschränkt.

Wie schon bei Vampire Weekend liegt der Reiz bei Hercules & Love Affair in der Tatsache, dass ausnahmsweise ein Projekt / eine Band, selbst wenn sie / es sich vornehmlich auf bekannte Bestandteile bezieht, aus diesen etwas vollkommen Neues schafft. Leider eine Seltenheit heutzutage.

Oliver Bothe

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