Rezension

Four Tet

Beautiful Rewind


Highlights: Parallel Jalebi // Kool FM // Aerial
Genre: Ambient // UK Garage // Techno // Experimental
Sounds Like: ---------- // Daphni // Hudson Mohawke

VÖ: 25.10.2013

Unbekümmerte Individualisten, die einfach machen, worauf sie gerade Bock haben und denen die Meinung anderer scheißegal ist – nie ist man so ganz sicher, ob man diese Menschen nun bewundert für ihre Nonchalance oder ob sie einem so dermaßen auf die Nerven gehen, dass man sie packen und schütteln möchte. So ähnlich verhält es sich mit dem neuesten Werk Kieran Hebdens mit dem halb irreführenden, halb treffenden Titel „Beautiful Rewind“, mit dem der vielbeschäftigte Produzent elektronischer Musik etwas völlig anderes präsentiert, als man sich gewünscht oder erwartet hätte.

Im ersten Drittel des Albums wird man zunächst in typische Four-Tet-Klangwelten versetzt: Glocken-Sounds, gehauchte Vocal-Loops, zart-fragile Melodien, immer wieder die staubig-heimelige Vinyl-Atmosphäre. Hebden baut eine verheißungsvolle Spannung auf, die sich über die ersten vier Tracks hinzieht. Man wähnt sich in Sicherheit, bald wird der Beat einsetzen, den wir von den Vorgänger-Alben kennen – housig, tanzbar, Glücksgefühle erzeugend. Nach „Gong“ und „Our Navigation“ hätte man aber vielleicht schon ahnen können, dass der Fokus diesmal auf UK-Garage-inspirierten Rhythmen liegt. Das epische „Ba Teaches Yoga“ kommt nochmal ganz ohne Kick und Snare aus und wäre mit seinen verträumten Synth-Schichten der perfekte Soundtrack für den Sonnenaufgang am See. Dann passiert es: Auf „Kool FM“ hämmert uns plötzlich eine knallharte Bassdrum entgegen, die unsere schlimmsten 90er-Jahre-Erinnerungen zurückholt. Nach zwei Minuten möchte man beinahe aufatmen, aber dann geht es erst richtig los. Hektische Breakbeats und Cuts werden zu einem wahnwitzigen Jungle-Gebilde aufeinander gestapelt, gekrönt vom wahrscheinlich nervigsten Sample des Jahres („Hey-hey-hey“), das man garantiert so schnell nicht wieder vergisst. „Beautiful“ ist das alles nicht, aber zugegebenermaßen schon ziemlich cool. Etwas lieblos erscheint allerdings das Ausfaden zum Ende des Tracks, das Hebden hier nicht das einzige Mal anwendet.

„Buchla“ legt dann nochmal nach mit der 4-to-the-Floor-Techno-Bassdrum und verfolgt die auf dem Album sehr präsente Linie vom Track im Track. So wird man nach gut einer Minute mit dem Schwenk in eine andere Richtung überrascht: Der titelgebende männliche Vocal-Schnipsel wird durch weibliche abgelöst und die Stimmung ändert sich merklich; immer wieder kommt es zum Halt und der Wiederaufnahme des Beats. Ähnlich verschachtelt ist das erdigere „Aerial“, das mit MC- und Percussion-Samples an Afrobeat und frühe, von Funk und Jazz beeinflusste House-Produktionen erinnert. Das passenderweise wundervoll euphorisch klimpernde "Unicorn“ reiht sich gefällig neben den melodischeren Ambient-Stücken Hebdens ein. „Your Body Feels“, quasi ein stilisierter R'n'B-Track, spielt mit dem wachsenden Erwarten der erlösenden Bassdrum, die bei Minute 1:52 dann auch tatsächlich einsetzt – allerdings nur als kurzes Stakkato, um dann fürs Erste wieder zu verschwinden.

Nach dem kompletten Durchlauf von „Beautiful Rewind“, das im Gegensatz zu „There Is Love In You“ und „Pink“ wirklich kein Tanzalbum geworden ist, ist man zuallererst reichlich verwirrt und reizüberflutet. Man sieht sich neben Kieran Hebden in einem Wust von aufgerissenen Ideen sitzen – aber ob man dabei ein übermütiges Grinsen aufsetzen kann wie er, wo man doch insgeheim seine zuende gedachten Produktionen vermisst? Das siebte Four-Tet-Album scheint mit seinem fragmenthaften, rohen Charakter wie eine Hommage an das spontane Live-Mixing beziehungsweise -Sampling aus den Anfängen des UK Bass und ergänzt das Werk des musikalischen Multitalents somit um eine weitere schillernde Facette. Der eine wird es dafür lieben und letztlich für brilliant befinden, dem anderen wird das Ganze eindeutig eine Nummer zu anstrengend sein.

Anna Burzywoda

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"Parallel Jalebi" im Stream
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