Der Kern dieses zweiten Albums der Evening Hymns besteht aus reiner Selbstreflexivität: Jonas Bonetta, Vokalist und Songwriter des Kollektivs, verarbeitet den Tod seines Vaters. Und obwohl man die Musik der Evening Hymns vermutlich niemals als süffig-leichte Popmusik verkaufen könnte, braucht man keine Bedenken zu haben, sich hier ein anstrengendes Abschiedsalbum auf die Ohren geben zu müssen. Ganz im Gegenteil – Bonetta baut in seine Musik großzügige Lichtungen und schafft unaufgeregte Weitflächigkeit. Gänsehaut bekommt man trotzdem.

Mit typischer Folkausrüstung, seinen Musikerfreunden und lauter Songs voller Introspektive macht sich Bonetta auf den Weg in die Natur des kanadischen Winters. Hier spielen sie Songs ein, die vor erstaunlicher Intensität strotzen, einen beim Hören in sich aufsaugen und dennoch Luft zum atmen lassen.

Bonetta überfrachtet nichts, bleibt behutsam und lässt dem Publikum soviel Freiheit, dass es sich selbst finden kann. Das Intro etwa besteht aus zweiminütigem Meeresrauschen, mitten im Album sind Vögel zu vernehmen und hin und wieder gibt es einfach nur nachdenkliche Stille oder mit „Irving Lake Access Road“ ein neunminütiges Instrumentalepos. Bonettas Texte sind wie erwartet melancholisch, zugleich aber hoffnungsvoll und energisch. Auf Spectral Dusk ist jeder Ton exakt positioniert und von ehrlichen Emotionen durchdrungen. Unterschiedliche Texturierungen und das Wechselspiel zwischen Bonettas und Smiths Stimmen lassen dieses Album als Ganzes organisch und voll erklingen.

Die Evening Hymns bescheren uns ein stimmig abgerundetes Album mit hörbar gemachter Lethargie, in die man versinken mag. Sphärisch, geheimnisvoll, dunkel und hell zu gleich, oder einfach: wunderschön!

Silvia Silko

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