Rezension

Element of Crime

Mittelpunkt der Welt


Highlights: Delmenhorst // Wenn der Winter kommt // Straßenbahn des Todes // Weit ist der Weg
Genre: Indiechanson
Sounds Like: Fink // Götz Alsmann

VÖ: 30.09.2005

Seit ich dich kenne, hab ich es gern, wenn der Winter kommt...mich hat sie mitten im Winter erwischt und ich mag sie gar nicht mehr fortlassen. Und der Winter kann ruhig noch bleiben. Denn sie packt in moll-ig weiche Watte, spinnt ein wetterfestes Gewebe um die Seele und schiebt die Welt da draussen ein gutes Stück weit fort. Und so dermaßen weltentrückt sieht selbst Ödnis, Einsamkeit und der Menschen grausamer Alltag zwischen Liebe und Unliebe viel freundlicher aus.

Welt- und Menschbetrachter Sven Regener läuft mit offenen Augen durch das Leben und überdenkt auf stilsichere Art alles, was er sieht und fühlt. Seinen mitunter bissigbösen Zynismus entschärft er im nächsten Moment durch sarkastischhumorige Alltagsstudien, derbst amüsante Selbstreflexion und mit Sätzen, die man sich auf Oberschenkel tättowieren, Wände malen oder T-Shirts drucken möchte, weil sie einfach und nur gut und absolut treffend sind:

Wo deine Füße stehen, ist der Mittelpunkt der Welt

Wo die Neurosen wuchern will ich Landschaftsgärtner sein

Sag Bescheid, wenn du mich liebst

Wer jetzt nicht schläft ist tot oder will immer noch mehr

Den ganzen Tag untröstlich und Spaß dabei

Hingewürfelte Narr- und Weisheiten dieser Art finden sich auf dem Wunderwerk überall und mitunter fällt die Großartigkeit einiger Kleinigkeiten erst beim wiederholten Hören auf. Es gibt so vieles zu entdecken, in dem, was der Herr Regener da selbst entdeckt hat. Und das legt er mit gewohnter Nachlässigkeit im Gesang in die wunderbare Musik. Regeners Stimme und seine instrumentale Begleitung bilden eine perfekte Symbiose. Authentische, schwermütige Melodien, die von Gitarre (Steel, Bottleneck) und Old-School-Schlagzeug (geschlagen und gepinselt) geführt werden. Noch dramatischer wird es, sobald Regener seine Trompete sparsam einsetzt, im Hintergrund leise Streichereinsätze klingen oder eine Gitarre einsam und kurz aufheult.

Alles klingt unterkühlt und ist doch voller Wärme, scheint distanziert und rührt doch mitten in Herz und Bauch, wirkt immer mal wieder täuschend perlendleicht instrumentiert und haut doch mit voller Wucht mitten in die Stelle, die so schön schmerzt.

Es wird hoffentlich tiefster Winter sein, wenn diese Scheibe sich langsam in Dein Gemüt schleicht und nicht mehr fortgehen will. Oder eine schwüle Sommernacht...oder ein trüber Sonntagnachmittag im Herbst...egal, Hauptsache du bist alleine, wenn Du sie hörst. Und dann sag Bescheid, wenn Du sie liebst, diese Scheibe.

Silke Sprenger

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Bye-Bye



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