Rezension

Dredg

Chuckles & Mr. Squeezy


Highlights: -
Genre: Pop // Schlager // Elektro
Sounds Like: Radio

VÖ: 29.04.2011

"The thought of losing you is not an option", säuselt Gavin Hayes gequält vor sich hin.

"Hey, dredg", möchte man schreien, "aufwachen! Wir haben nicht daran gedacht, euch zu verlieren. Wir haben euch längst verloren."

Es muss einige Jahre her sein, als der Glaube das Weite suchte. Der Glaube an eine bessere Band in einer schlechteren Welt. Zumindest zauberten dredg in diesem ausgebrannten Paralleluniversum auf "Leitmotif" und "El Cielo" mit ihrem Mix aus wütenden Gitarren und sanften Melodien ein Lächeln auf unsere Lippen – und einen Schauer in unser Herz.

Doch wir sind angekommen im Jahr 2011. Eine Medienlandschaft, in der Justin-Bieber-Kopien und Charlie Sheens Suchtberater die Schlagzeilen beherrschen, braucht starke Persönlichkeiten. dredg gehören offensichtlich nicht mehr dazu. Jetzt, wo ihre "neuen Songs" häufiger auf zweifelhaften Radio-Sendern Präsenz zeigen, scheint auch diese Schlacht verloren zu sein, ein Nachruf tut not.

Man hatte da schon so eine Ahnung. "Chuckles & Mr. Squeezy" ist gegenüber den vorherigen Titeln ein äußerst dubioser Name und das dahingerotzte Cover lässt die Zahl der Fragezeichen exponentiell wachsen. Da reiht sich dann die Musik gleich mit ein. dredg im Jahr 2011 klingen ungefähr so prickelnd wie Wasser ohne Kohlensäure, so belebend wie entkoffeinierter Kaffee und so frisch wie Toast von hinterm Schrank. Es ist merkwürdig, wie sich ein musikalisch anerkanntes Projekt so sehr entwurzeln kann. Wo früher Dino in die Drums kloppte, nudelt inzwischen ein Computer krude zusammengesetzte Loops ab. Auf Gitarren hat man gleich ganz verzichtet – gegenüber "The Pariah, The Parrot, The Delusion" ein nicht mehr für möglich gehaltener weiterer Rückschritt.

Was bleibt dann eigentlich noch übrig von dredg? Nicht viel. Akustisches Vakuum, klanggewordene Leere. Gerade noch Top-40-kompatibel. Seine musikalischen Seelenverwandten sucht man jetzt nicht mehr bei den schweren Jungs wie Tool ("Leitmotif") oder den netten Jungs von Aereogramme ("El Cielo"), sondern da, wo es richtig billig wird. "Where I'll End Up" hätte man eher als Bonus-Track auf der jüngsten Hasselhoff-Veröffentlichung erwartet. Aber während man sich bei dem bröckelnden Baywatch-Idol nicht so sicher sein kann, was er überhaupt noch so mitbekommt, galten dredg bislang als einigermaßen seriös. Natürlich war "The Pariah, The Parrot, The Delusion" schon sehr gewagt in seiner Vielfältigkeit, inklusive einiger poppiger Ausrutscher. Doch auf "Chuckles & Mr. Squeezy" spitzen die Kalifornier die Dinge vehement zu. Im Pressetext steht ganz unverblümt: "Die Songs haben kein Konzept, keinen roten Faden, der sie verbindet. Die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie alle denselben Moment für eine Gruppe von Individuen festhalten." Aha. Und ich dachte immer, jedes Album würde denselben Moment für eine Gruppe von Individuen festhalten?

Zusätzlich klingt der aufdringliche Verweis auf die Zusammenarbeit mit ihrem Produzenten wie eine Rechtfertigung – ergänzt um die Anmerkung, man habe das Album überwiegend per E-Mail-Austausch zustande gebracht. Ja, Freunde, in welcher Zeit leben wir denn? Kann man sich nicht mal für eine Platte die Zeit nehmen und gemeinsam ausgiebig ins Studio gehen und ein bisschen rumpuzzeln? So mit richtigen Instrumenten zum Beispiel? Frickeln, das war doch immer eure Stärke.

Vieles ist künstlich geworden, überall sind in das glattgebügelte dredg'sche Vakuum Synthie-Schnipsel eingestreut. Dinger, die da einfach nicht hineinpassen. Ganz schlimm ist das auf "Down Without A Fight", das gleich zu Beginn Break-Dancer-Fanfaren erklingen lässt. Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Ich mag nicht mehr. Dabei sind nicht alle Songs gleich schlecht. Während "The Thought Of Losing You" schon fast positiv belanglos ist, geben sich die Jungs mit "Kalathat" im bislang komplett gemiedenen Genre des Folk die Ehre. Und das ist dann schon fast wieder spannend.

Aber der Kern des Problems bleibt derselbe: Dem Album fehlt jegliche Legitimation, solange es als Werk von dredg verkauft wird. Nichts, absolut nichts außer der Stimme von Hayes, deutet auf die Kalifornier hin. Der schreit nicht mehr, sondern säuselt nur noch. Noch nicht gehört? Kommt ganz sicher noch, spätestens auf der nächsten Betriebsfeier. Nachts um drei. Klammerblues mit den Übriggebliebenen. DJ Ole gibt sich die Ehre. Und spielt "Where I'll End Up".

Tja, dredg, wo werdet ihr enden? Ihr habt es in der Hand.

Mischa Karth

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Kalathat in der Kurzversion

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