Rezension

Courtney Barnett

Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit


Highlights: Pedestrian At Best // Small Poppies // Depreston // Debbie Downer
Genre: Garage Rock // Slacker-Pop
Sounds Like: Pavement // Built To Spill // Sharon Van Etten // Nirvana

VÖ: 20.03.2015

Manchmal sitzt Courtney Barnett einfach nur da. Manchmal aber sitzt sie auch da und denkt nach. Und wenn sie nachdenkt, sei das jetzt sitzend, stehend, liegend oder wie auch immer, dann kommt zum Beispiel eine Platte dabei heraus. Eine wie „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“, Courtneys Debütalbum. Es fühlt sich zunächst nicht an wie ein Debütalbum, da die letztjährig erschienene Doppel-EP „A Sea Of Split Peas“ sich nur auf den zweiten Eindruck nicht wie ein Album anfühlte. Noch weniger tut sie das nun mit Kenntnis des wirklichen Debütalbums, denn hier zeigt sich, wie ausgezeichnet die Australierin die Kunst des Albummachens wirklich beherrscht.

Die Idee zum Albumtitel schwirrte schon lange in Courtneys Kopf umher, hatte sie die Zeile doch auf einem Poster bei ihrer Großmutter entdeckt, als sie noch ein Kind war, und gleich wusste sie, dass sie sie einmal veröffentlichen will. Diese Anekdote illustriert schon, wie die 26-jährige Songs schreibt: Aus all den kleinen Dingen, die sie im Alltag aufschnappt, sowohl in der Welt, die sie umgibt, als auch in ihrem Inneren. Darin, den Witz des Alltags zu Texten zu machen, ist Courtney wohl so gut wie im Moment fast niemand sonst. Frech, direkt, bissig, selbstironisch, oft ist sie all das zugleich. Dazu kommt ein Sound, der noch roher ist als der der bisherigen Veröffentlichungen. Dass die Dame mit Pavement, aber auch mit Nirvana viel anfangen kann, ist nicht zu überhören.

Diese neue Platte scheppert mitunter enorm, so etwa die erste Single „Pedestrian At Best“. In einem kathartischen Ausbruch negativer Emotionen rotzt Courtney einen inneren Monolog über ihren aufkommenden Ruhm herunter, bekennt: „I must confess I’ve made a mess of what should be a small success, but I disgress. At least I tried my very best I guess.“ Sie selbst als der Fußgänger, der in all das irgendwie hineinstolpert. Die Platte ist übrigens so laut geworden – man könnte es fast erraten – aus alltagspraktischen Gründen. Die Songs wurden nicht mehr in Courtneys Zimmer mit Rücksicht auf die Nachbarn aufgenommen, sondern im neuen Proberaum mit ihrer Band, die aus ihren besten Freunden besteht. Da kann es dann schon mal lauter zugehen.

Besonders stark ist Courtney darin, Emotionen zu beschreiben, ohne sie wirklich zu benennen. So spiegelt sie im großartigen „Depreston“ die Vergänglichkeit des Lebens und damit einhergehende Leere und Trauer über die Beschreibung des Inventars des Hauses einer verstorbenen alten Dame. Dieses wird gerade verscherbelt, und Courtney schaut sich das Haus mit ihrer Freundin an. „Then I see the handrail in the shower // the collection of those canisters for coffee tea and flour // and a photo of a young man in a van in Vietnam“ singt sie, und die Banalität und Vergänglichkeit des Lebens springt hervor, ohne konkretisiert zu werden. Ihre Musik lässt stets viel Raum, den der Hörer selbst füllen kann, mit Gedanken, Interpretationen, und erweitert den Blick des Hörers auf die kleinen Dinge im Alltag.

Folglich ist „Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit“ eines dieser Werke, die die Denkweise des Hörers verändern, ihn neue Aspekte an Dingen entdecken lassen. Ein Wasserkocher mag nur ein Wasserkocher sein, doch vielleicht verbirgt sich hinter ihm auch eine kleine Anekdote? Courtney Barnett betrachtet den Alltag pointiert, und diese charmante Lebensart landet auch beim Hörer, lässt ihn sich in seinen alltäglichen Moves weniger banal fühlen, sondern weckt ihn auf. Somit löst Courtneys Musik mehr aus, als sie selbst eigentlich beinhaltet, und ihr Debütalbum ist eine großartige, weil beständig bereichernde Platte. Beim nächsten Besuch mal schauen, was bei Oma so für Poster an der Wand hängen.

Daniel Waldhuber

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