Rezension

Chris Garneau

Winter Games


Highlights: Oh God // Winter Song #2 // Pas Grave
Genre: Indie Folk // Singer-Songwriter
Sounds Like: Bon Iver // Sufjan Stevens // Jens Lekmann

VÖ: 11.04.2014

Chris Garneau ist der Meister der leisen Töne. Ohne mit Superlativen um sich zu schmeißen, ist es schwer, seine Musik zu beschreiben. Dabei sind es Begriffe wie zaghaft, sanft, zauberhaft, die, bis ins Vielfache gesteigert, ausdrücken, was einem bei jedem einzelnen Album des jungen Amerikaners an flächiger, fast unwirklich wirkender Musik geboten wird. Und so ist auch „Winter Games“ eine Überraschung, die so keine ist. Denn trotz seines relativ geringen Bekanntheitsgrades, konnte man schon erwarten, dass dieses dramatische Kammerspiel eines der Alben des Jahres ist.

Der Prozess, den Chris Garneau durchlaufen hat, zeigt seinen umtriebigen Charakter. War sein 2007er Werk „Music For Tourists“ noch voll von kleinen Melodien, die ohne Effekthascherei oder künstlichen Kitsch bei so gut wie jedem Hörer Anklang fanden, so machte er zwei Jahre danach auf „El Radio“ eben diesen Kitsch salonfähig. Verspieltes Piano und der richtige Einsatz von orchestralen Instrumenten sorgten für Spannung und vor allem Spaß, obwohl seine Themen dabei nie einfach, sondern fast schon in hohem Maße zynisch waren.

Dementsprechend musste es wahrscheinlich auch fünf Jahre dauern, bis der sympathische, junge Mann den nächsten Schritt machen konnte. Denn „Winter Games“ treibt sein markantes Spiel, das eine Wechselwirkung aus düsteren Themen und unaufdringlicher Instrumentierung ausmacht, auf die Spitze. Garneau vertont Themen wie Missbrauch und die allgemeine Ablehnung von Eltern dem Kind gegenüber in kleinen Sequenzen, in denen seine hohe, einfühlsame Stimme immer wieder zu brechen droht. Besonders stark ist Garneau am Klavier, da sich seine Stimme (gerne auch in mehreren Spuren) mit den ruhigen Anschlägen zu harmonischen Klangcollagen zusammensetzt, die im Kopf des Hörers weite, schneebedeckte Flächen entstehen lässt.

„Winter Games“ ist Musik zum Alleinhören, zum Träumen und für den melancholischen Teil, den jeder in sich trägt. Innerhalb kürzester Zeit schafft Garneau es, alles auszublenden, seine Musik durch Einfachheit komplex und die alltäglichen Probleme trivial wirken zu lassen. Es ist schwer, sich der Anziehungskraft seiner Stimme zu widersetzen, und auch wenn er auf „Winter Games“ so ernst ist wie selten zuvor, hört man ihm doch jede Sekunde gerne zu. So wird sein neues Album auch zu einem der zaghaftesten, sanftesten und zauberhaftesten Werke der letzten Jahre. Aber eigentlich ist das ja gar keine Überraschung.

Arne Lehrke

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