Rezension
Caribou
Our Love
Highlights: Silver // Julia Brightly // You're Love Will Set You Free
Genre: IDM // House // Ambientpop // R n' B
Sounds Like: Four Tet // James Holden // Disclosure // Theo Parrish
VÖ: 03.10.2014
Caribou. Wer denkt bei diesem Wort bitteschön noch an einen Best-Of-Song der Pixies? Richtig, kaum jemand. Caribou ist inzwischen vielmehr zu einer konsensfähigen DJ- beziehungsweise Producer-Koryphäe mutiert, deren Songs beziehungsweise große Sommerhits sogar manch Promi auf Ibiza mühelos mitsingen kann – Stichwort „Sun, Sun, Sun, Sun, Sun, Sun, Sun,…“ und so. Und veröffentlicht Caribou nach inzwischen vier Jahren ein neues Album mit dem Titel „Our Love“, so schlägt ein solcher Release in der Musikpresse inzwischen recht hohe Wellen. Sicher nicht zu Unrecht.
Die passende und naheliegende Aufhänger-, PR-, Whatever-Story für jeden Musikschreiberling, die einen manchmal fast pawlowmäßig an Caribou denken lässt, bekommt man zumeist so unsanft und konsequent um die Ohren gehauen wie die günstigen Preise im Mediamarkt: Caribou bzw. Dan Snaith hat in Mathe (uhh!!!) promoviert und hat deswegen wahrscheinlich viel mehr „druff“ als der gemeine Büttel – als du und ich also. „Druff“ war allenthalben der ein oder andere Hörer von Caribous Musik der letzten Jahre, als der sich zusehends auf den angesagten Tanzflächen von London bis Berlin heimisch fühlte und teils neunstündige DJ-Sets zum Besten gab, die den feiernden Mob bis zur Ekstase trieben. Caribou selbst blieb stets nüchtern, rauchte nicht, trank nicht, war ein toller Familienvater und darüber hinaus ja noch so klug… einfach beängstigend. Der Guardian titelte vergangene Woche: „Mr. Wonderful“ und „The Man, who puts the heart back into dance music“. Hat der Mann denn keine Schwächen?
Bei all dem obskuren Kult und Hype-Unsinn um Caribou und seine Musik – auch wenn man keinen Doktor in Mathematik benötigt, um die etwas einfältige (oder erfrischend anspruchslose?) Beziehung zwischen dem Thema Liebe und elektronischer Tanzmusik zu bemerken – lautet die Antwort auch nach der neuesten Veröffentlichung „Our Love“ im weitesten Sinne: Nein.
“Something for everybody to listen to” sollte das neue Werk laut Snaith selbst sein. Gewissermaßen gelingt dieses Unterfangen zunächst einmal dadurch, dass „Our Love“ gekonnt den Weg vieler chartsaffiner Dance-Acts nachzeichnet, die es in den vergangenen Jahren da so gab. Etwas langsamere Deep-House-Beats verschwimmen mit verschachtelten Breakbeats oder abgehackten Pitch-Shift-Vocals, die einen wiederum eher an früheren UK-Garage erinnern. An anderer Stelle, wie beim Titeltrack „Our Love“, klingt das Ergebnis beinahe wie die kontinuierliche Steigerung hin zu einem treibenden, basslastigen Hardcore-Techno-Schinken. Mit seiner introvertierten und ruhigen Stimme klingt „Back Home“ hingegen vollkommen nach einem artifiziell anmutenden R'n'B-Track.
Einheit stiftet die fast auf jedem Song im Vordergrund stehende Rhythmik als auch die ambientartigen Soundmuster, die bisweilen aber nicht konsequent an die Tonwunder des übrigen, unkonventionellen Klanguniversums von Caribou heranreichen. Die Platte zelebriert die kleinen Spielereien für den geneigten Clubgänger mit Loops, Pitch- und Echoeffekten beinahe konsequent, wodurch die Heimat von Caribous Musik weiterhin die Tanzfläche bleibt. Die Songs zielen jedoch auf eine recht subtile Art vielmehr auf perfekte Momente, auf perfekte Arrangements in einem fast schon erschreckend etablierten Gewand und sie heben sich eindeutig vom clubaffinen und im Vergleich zu diesem neuen Werk einfach gestrickten Sound ab, den Snaith zuvor unter dem Namen Daphni kreiert hat. Die Musik unter dem Caribou-Moniker erklingt weitaus dichter und ist durchzogen von einer wohligen Wärme, wordurch "Our Love" auch im Einklang mit den Vorgängern "Andorra" und "Swim" recht nachvollziebar wirkt. Und auch, wenn das Album für alles und jeden hörbar sein soll, so finden sich darauf keine offensichtlich hitverdächtigen Nummern.
„Our Love“ ist ein Popalbum und ist es auch wieder nicht, ist einmalig, innovativ und ist es auch wieder nicht, ist spannend und ist es dann doch manchmal auch wieder nicht. Vielleicht liegt das Faszinierende hier gerade im Unbestimmten und Ungewissen. Vielleicht ist all das dem gemeinen Büttel am Ende aber auch einfach alles zu hoch.
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