Rezension

Bosse

Taxi


Highlights: Alter Strand // Liebe ist leise // 3 Millionen // Der Sommer ist noch lang // Die Kunst des Verlierens
Genre: Indie
Sounds Like: Kettcar // Fotos // PeterLicht // Nada Surf

VÖ: 06.02.2009

Manchmal muss man immer wieder in den Kalender schauen, irritiert die Augen reiben, genauer hinsehen. Erst dann glaubt man es. Jetzt ist es schon zweieinhalb Jahre her, dass ich mit Axel Bosse in Frankfurt bei Kaffee und Sonnenschein zusammen saß und mit ihm über sein gerade erschienenes zweites Album "Guten Morgen Spinner" sprach. Der frisch gebackene Vater auf der Promotour, von Windelwechselübermüdung keine Spur. Stattdessen Tatendrang und Ideen für den Nachfolger. Und nun ist plötzlich schon 2009. Zweieinhalb Jahre, in denen er Konzerte spielte, moderierte, produzierte und Frau und Töchterchen in der Türkei besuchte. Und als man schon gar nicht mehr damit rechnete, heißt es plötzlich: TAXI!

Eigentlich hatte Axel Bosse das Soloprojekt längst zur Band Bosse erkoren, doch die Mitstreiter waren an der Produktion nicht beteiligt. Eingespielt wurde sie nur von Bosse selbst und seinem Produzenten Jochen Naaf, in dessen Wohnzimmer das Album aufgenommen wurde. Ein paar Gastmusiker mischen sich dazu, meistens wenn Streicher oder ein Klavier benötigt werden. Der prominenteste Gast ist Sebastian Madsen, der den Gesang im Stück "Vereinfachen" übernimmt. Und eine weitere Veränderung stand ins Haus. Bosse wechselte von der EMI-Tochter Capitol zum kleinen Label Scoop. Man muss jetzt nicht wieder die Klischees von Freiheiten und DIY bemühen. Bosses Weg von "Kamikazeherz" zu "Guten Morgen Spinner" war schon ein guter und "Taxi" ist das konsequente Weitergehen auf eben jenem. Die Füße wollen tanzen, der Kopf nachdenken.

Los gehts mit der Single "3 Millionen", die schon munter im Radio rotiert und zu der Bosse mit der wunderbaren Laura Tonke ein schönes Video mit vielen bunten Luftballons aufgenommen hat. "In deiner Stadt leben über drei Millionen / Und du bist heute Nacht unterwegs / Um zu schauen, ob unter diesen drei Millionen / Jemand ist, der dich versteht", jetzt mal ehrlich, von wem anders als Bosse könnten diese Lyrics sein? Da ist wieder dieses unruhige Suchen nach dem Platz im Leben, wie man es schon vom Vorgänger kannte.

"Der Sommer ist noch lang" überrascht mit den englischen Zeilen "Everyday's like a new beginning". Ein bisschen erinnert das alles ja an Kettcar. "Home is where your heart is" und dazu im Taxi weinen? Zurück zum Sommer. Denn als Gegensatz zu diesem Stück folgt ein paar Minuten später "Alter Strand". Der lange Sommer, in dem man alles machen konnte und alles tat, ist vorbei. Die Jahre sind ins Land gegangen, und "alles ist geblieben, nur nicht wir". Erinnerungen an die Jugend, Erinnerungen an alte Lieben, hier findet sicher jeder die passende Situation in seiner Vergangenheit.

Wenn man im Internet durch die üblichen Seiten stöbert und Lieblingszitate liest, dann stößt man oft auf Tomte, Olli Schulz, vielleicht auch mal auf die Fotos, meistens auf die eben schon genannten Kettcar. Es wird wirklich mal Zeit, dass auch Bosse zitiert wird. "Life's a bitch and life's a beach / Hauptsache es ist nicht egal" aus "Die Kunst des Verlierens" ist mindestens so gut wie "Liebe ist kein Rock'n'Roll / Sie ist leise" ("Liebe ist leise"). Jeder Künstler behauptet in seinen Interviews gerne, dass er über die Texte tausend Mal nachgedacht hat, ihm nimmt man es ab, man spürt es, wenn man sie hört. Axel Bosse hat Wertschätzung verdient. Schon seit langem. Aber mit "Taxi" hat er es mehr als verdient, denn sie ist eine der schönsten deutschen Indie-Platten seit langem. Bitte hören und lieben.

Martin Korbach

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