Rezension

Black Lips

200 Million Thousand


Highlights: Take My Heart // Short Fuse // Again & Again // Old Man
Genre: Lo-Fi/Garage Rock // Psychedelic
Sounds Like: King Khan & The Shrines // The Dirtbombs // The Velvet Underground

VÖ: 13.03.2009

"Sex, Drugs and Rock'n'Roll" war früher mal ein Lebensmotto vieler Bands. Heute brüsten sich zwar immer noch viele mit diesem Etikett, doch im Vergleich zu den ausschweifenden Orgien der Vergangenheit sind Pete Doherty, Amy Winehouse und Konsorten doch recht bedauernswerte Waisenknaben. Glücklicherweise gibt es da ja aber auch noch die Black Lips. Kaum eine andere Band wandelt so nah an der Grenze zu Wahnsinn, Ausschweifung und völliger Selbstzerstörung. Die letzten Überlebenden, die ihre Sache noch jede Sekunde ihres Bestehens leben. Dafür werden sie von ihren Fans (zurecht) bedingungslos geliebt. Da macht es auch nichts aus, dass "200 Million Thousand" zum ersten mal in der Bandgeschichte nicht ganz ein Spitzenalbum geworden ist.

Wer sich so verheizt, muss früher oder später aber auch mal einen Gang zurückschalten. Seit 2000 befinden sich die Black Lips mehr oder weniger ununterbrochen (sic!) auf Tour, was angesichts ihres Vorhabens, an jedem Ort der Welt mal gespielt zu haben, aber wohl auch nicht anders machbar wäre. Indien wird dabei wohl in Zukunft ausgespart werden müssen, nachdem die gesamte Band bei ihrer letzten Tour vor der indischen Staatspolizei flüchten musste, da Gitarrist Cole sich nackig in das Publikum geschmissen hatte. Zwischendrin wurden immer mal wieder hervorragende Alben aufgenommen, und das ohne erkennbaren Energieverlust. Bis jetzt.

"200 Million Thousand" klingt phasenweise selbst für Black-Lips-Verhältnisse zu sehr dahin geschludert. Wieviel Gras bei der Platte draufgegangen ist, will man angesichts von Nummern wie dem debilen "Let It Grow" (passender geht's wohl kaum), einem völlig missratenen Hip-Hop-Versuch ("The Drop I Hold") oder dem geisteskranken "I Saw God" (noch passender!) gar nicht wissen. Das Zeug hat die Jungs jedenfalls etwas zu sehr schlapp gemacht, denn es fehlt dem Album oft an dem Drive, der vor allem auf "Good Bad Not Evil" und "Let It Bloom" so unwiderstehlich war. Wie viel Genie aber in der Band steckt und wie wichtig die Black Lips eigentlich doch sind, schimmert dennoch immer wieder mal durch.

"Take My Heart" oder "Drugs" sind diese typischen Garage-Lo-Fi-Psychedelic-Songs, welche einfach niemand so gut hinbekommt. Eine ordentliche Produktion? Fehlanzeige. Das macht die Black Lips so verdammt authentisch. Deshalb gröhlt man auch nach fünf Bier "Again & Again" und "Elijah" aus voller Kehle mit oder erkennt in nüchternem Zustand, dass "Short Fuse" ein verflucht melodieverliebter Hit ist. Ein wenig mehr davon und weniger Nutten und Drogen, von denen in den Texten sinnigerweise hauptsächlich die Rede ist, hätte "200 Million Thousand" wesentlich besser getan. So bleibt es unter dem Strich "nur" bei einer durchschnittlichen Black-Lips-Platte.

Benjamin Köhler

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