Rezension
Belle & Sebastian
Girls In Peacetime Want To Dance
Highlights: Nobody’s Empire // The Cat With The Cream // Ever Had A Little Faith
Genre: Pop // Indie // Dance
Sounds Like: The Magnetic Fields // The Smiths // ABBA // Jens Lekman
VÖ: 16.01.2015
Belle & Sebastian haben es getan. Die Band in Kollektivgröße um Sänger Stuart Murdoch verlässt mit „Girls In Peacetime Want To Dance“ ein kleines Stückchen ihr ganz eigenes Schneckenhaus. Das haben sie sich über mittlerweile neun Studioalben, zahlreiche großartige EPs und Kollaborationen aufgebaut. Es ist ein ganz besonderes Schneckenhaus, ein eigener, großartiger und unfehlbarer Popsound, der von wundervollen Melodien, charmanten Texten und vor allem viel Zurückhaltung geprägt ist. Im Prinzip ist die Band schon lange eine Art eigene Marke – fällt ihr Name, überkommt den geneigten Hörer ein zufriedenes Lächeln und der ein oder andere Ohrwurm schleicht sich ein.
Mit „Girls In Peacetime Want To Dance“ wagt die Band sich an neue Ufer. Aufgenommen wurde die Platte fern vom heimischen Glasgow in Atlanta, und, viel zentraler: Sie hat den Discopop für sich entdeckt. Wo schon immer herrlich melodiöse und feinfühle Popmusik war, steht nun bei einigen Songs der Platte ein großes Disco davor. Eine Zeile wie „Jump to the beat of a party line“ („The Party Line“) hätte von der Band vor Jahren wohl noch niemand erwartet. „Enter Sylvia Plath“ etwa könnte fast ein ABBA-Song sein. Textlich jedoch, und das ist besonders, ist die Platte intim wie eh und je. Nicht von irgendwoher handelt der Song von Sylvia Plath, einer der zerbrechlichsten, persönlichsten und poetisch schönsten Dichterinnen des letzten Jahrhunderts, die nach nur kurzer Schaffensperiode Suizid beging. Jeder Text Murdochs ist eine Charakterstudie für sich, ein sensibles Porträt einer mitunter zunächst banal wirkenden Situation.
Besonders ist hier auch der Opener „Nobody’s Empire“: Hier wird Stuart Murdoch so persönlich wie selten zuvor, behandelt seine chronischen Ängste in jüngeren Jahren. Auch ist der Song besonders, weil er gar nicht so sehr Discopop ist, sondern viel mehr bandtypische Wundersamkeit. Auch im Discopop bleibt die Band sensibel, wenn sie auch ihre größte Anziehungskraft, ihre absolute Unscheinbarkeit, ein Stück weit ablegt. Der harmonische Grundstock ist jedoch stets unverkennbar Belle & Sebastian.
All der Discopop mag mitunter, wie in „Enter Sylvia Plath“, überzogen wirken und auf Dauer anstrengend, doch auf „Girls In Peacetime Want To Dance“ finden sich genug Elemente und schöne Momente, die Liebhabern ein zufriedenes Gefühl verschaffen. Streng genommen haben Belle & Sebastian ihr Schneckenhaus gar nicht verlassen. Es ist nur um ein paar Räume erweitert worden. Diese Räume muss nicht jeder Liebhaber der Band schön finden, aber er kann es sich in den schon heimelig eingewohnten Räumen weiterhin gemütlich machen. Und, mal ganz ehrlich: Wenn Stuart Murdoch singt, und sei es noch so discopoppig wie in „Play For Today“, dann ist die Welt mal mindestens in Ordnung.
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