Rezension

Alt-J

An Awesome Wave


Highlights: Tessellate // Breezeblocks // Something Good // Matilda
Genre: Art-Pop
Sounds Like: Why? // The Beta Band // Broken Bells

VÖ: 25.05.2012

Noch unbelegte These: Von allen Alben, die das éclat-Rezensionsradar in den letzten Jahren verpasst hat und die erst bei unseren vergessenen Perlen Beachtung fanden, wird Alt-Js Debüt „An Awesome Wave“ am höchsten in unsere Jahrescharts einsteigen. Dass „An Awesome Wave“ ganz unaufdringlich, ja unauffällig zu seiner Größe findet, ist der Grund für den Perlenstatus – die schiere Qualität, die es dann irgendwann erreicht, wird seine finale Position erklären.

So gibt es schließlich vieles an Alt-J, das zunächst eigentlich alles andere bewirkt, als die Trendmagneten von Pitchfork bis NME anzuziehen: Joe Newmans nasaler Gesang beispielsweise scheint im Vergleich zu Live-Auftritten noch vorsätzlich produktionstechnisch hervorgehoben worden zu sein, eklatante Schwierigkeiten wiederum, das britische Quartett stilistisch einzuordnen, mag hier ihr Übriges getan haben: Wer nach dem mehrstimmigen „❦ (Ripe & Ruin)“ einen Fleet-Foxes-Verschnitt erwartet, dessen Erwartungen werden gleich danach enttäuscht, wenn „Tessellate“ Gewitterwolken über jegliche potentielle Sonnenscheinatmosphäre ziehen lässt; wer dann zumindest eine gewissen Bedrohlichkeit à la Esben & The Witch als kleinsten gemeinsamen Nenner von „An Awesome Wave“ identifizieren möchte, guckt spätestens dann in die Röhre, wenn „Dissolve Me“ mal so zwischendurch mit der schnuffigsten Synthesizermelodie des Jahres kokettiert. Dass Alt-J hier zehn ganze und (aufgrund ihrer Länge) drei halbe Hits aneinander reihen, lässt höchstens die Schublade „Pop“ als einzige übrig, die nicht irgendwann allzu laut zu knarzen beginnt – die jedoch auf jeden Fall um die Vorsilbe „Art-“ ergänzt werden muss.

Und dies nicht etwa, weil Alt-J in ihren Songs Einflüsse und Referenzen von Luc Besson bis hin zu Italo-Western kanalisieren, weil ihre mal „Memento“, mal italienische Maler zitieren – sondern weil große Kunst eben erst dadurch große Kunst wird, dass sie mehr als die Summe ihrer Teile ist. So schafft „Breezeblocks“ den wohl seltenen Spagat, in seiner Souligkeit dennoch stets unterschwellig irgendwie unheimlich bedrohlich zu wirken, „Matilda“ ist trotz all der Hektik, die den hibbeligen Drums und Keyboard innewohnt, so schön wie schüchtern und an der Frage, warum die (auch noch eigentlich vollkommen irreführend benannten) Interludes „❦ (Guitar)“ und „❦ (Keyboard)“ genau dort den Albumfluss unterbrechen, wo sie es eben tun, hätte wohl selbst Musikversteher Hartmut Fladt zu knabbern. „An Awesome Wave“ ist keine Sammlung von Einflüssen, es ist eine Sammlung von Stimmungen.

Dass dies mittlerweile der eine oder andere verstanden hat, ist spätestens klar, seit Alt-J den Mercury Prize für ihr Debütalbum gewonnen haben. Dass „An Awesome Wave“ auch uns erst nach und nach eingelullt hat, dafür entschuldigen wir uns – beim nächsten Mal sind wieder wir diejenigen mit dem Weitblick. Bis dahin schauen wir gemeinsam auf Alt-Js Podest, das ihnen als Schöpfer eines der besten Alben des Jahres 2012 gebürt.

Jan Martens

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