Rezension

Alt-J

This Is All Yours


Highlights: Intro // Nara // Bloodflood Pt. II // The Gospel Of John Hurt
Genre: Progressive Pop
Sounds Like: Caribou // Black Keys // Radiohead // Declan de Barra // These New Puritans // The XX // Vampire Weekend // David Bowie // SOHN

VÖ: 19.09.2014

Eine bis dato unbekannte britische Band veröffentlichte 2012 ihr Debüt: „An Awesome Wave“ hieß das Erstwerk der Formation Alt-J, hinter deren Namen die Kombination für das Symbol der Band, ein Dreieck, liegt. Ob nun die Einzelstücke wie „Tesselate“, „Breezeblocks“, „Fitzpleasure“, oder aber das Gesamtwerk: „An Awesome Wave“ war und ist ein Volltreffer. Die Messlatte für den Nachfolger „This Is All Yours“ könnte also größer nicht sein. Nachdem die vorab veröffentlichten Songs „Hunger Of The Pine“, „Left Hand Free“ und „Every Other Freckle“ keine klare Linie erkennen lassen konnten, war fraglich, in welche Richtung sich die Band entwickelt hat. Schon nach dem ersten Durchlauf allerdings weicht jede Skepsis: Alt-J haben sich selbst nochmals übertroffen.

Schon im Intro zeigt sich, wie besonders Alt-J sind. Ist die Verwendung von la-la-la-Gesängen sehr häufig ein Ausdruck von Einfallslosigkeit, schafft die Band hier einen perfekten Einstieg, der deutlich macht, welchen künstlerischen Anspruch dieses Album hat. Ein unglaublich dichter Sound mit Gänsehaut entstehen lassenden Brüchen, wie dem zwischenzeitlich einsetzenden Schlagzeug und Ausflügen in orientalische Gefilde, die innerhalb weniger Takte ein Feuerwerk an Ideen explodieren lassen. Es folgt ein Ausflug nach Nara, einer japanischen Stadt und dessen Park, in dem Wildtiere frei herumlaufen können. Diese Freiheit nimmt die Band auf – und setzt mit „Arrival In Nara“, „Nara“ und dem abschließenden „Leaving Nara“ ein Denkmal. Dabei blicken Alt-J musikalisch verträumt auf jene Stadt, nach der quasi-instrumentalen Ankunft folgt eine Midtempoballade, die fast exemplarisch für „This Is All Yours“ steht. Um den hohen Falsettgesang Joe Newmans herum experimentieren die beiden weiteren Bandmitglieder mit einer Vielzahl an Instrumenten und Klängen. Schicht für Schicht türmen sich zu den klassischen Schlagzeug, Bass und Gitarre beispielsweise Klavier, Glockenspiel, Keyboard und viele nicht identifizierbare Nebengeräusche auf. In „Every Other Freckle“ kommen Flöten und andere Bläser hinzu, in „The Gospel Of John Hurt“ nimmt ein Xylophon wichtigen Platz ein – Alt-J müssen im Studio ein ganzes Orchester stehen haben. Dass die Stücke trotzdem nicht verkopft wirken, sondern wie eben in „Every Other Freckle“, „The Gospel Of John Hurt“ und „Left Hand Free“ sogar grooven und Hitpotential haben, ist die große Kunst der Band.

Im pulsierenden „Hunger Of The Pine“ verwendet die Band ein Sample von Miley Cirus, das wirkt, als wäre es für diesen Song gemacht. „Bloodflood Pt. II“ setzt am Debüt an, setzt „Bloodflood“ fort und wiederum auch nicht. Takt, Grundmelodien, Gesang und Tempo sind sich ähnlich, die Umsetzung ist jedoch eine ganz andere. Im zweiten Teil basiert der Grundstock auf Bläsern, die der Verträumtheit des ersten Teiles eine tiefe Mollnote verleihen. Bis auf das schiefe „Garden Of England“, das „Choice Kingdom“ einläutet, verzichten Alt-J auf ihrem Zweitwerk auf Interludes. Einziger Schwachpunkt des Albums ist „Warm Foothills“, ein kitschiges Folkduett mit Gastsängerin, aber auch dieses verzeiht man der Band nur Sekunden später.

War das Debüt schon ein merkliches Ausrufezeichen, zeigen Alt-J auf „This Is All Yours“ umso stärker, dass sie keine gewöhnliche Band mit einem guten Album ist, das in weniger Zeit abgenutzt sein wird. Nein, Alt-J schaffen das kaum noch Mögliche: der Musikgeschichte neue Aspekte hinzuzufügen. Die Art und Weise der Arrangements, verbunden mit der Gesangsstimme Newmans mag zwar hier und da Referenzen (wie Black Keys in „Left Hand Free“ oder stimmlich Declan de Barra in „Pusher“) aufflackern lassen, ist aber im Gesamtkonstrukt neuartig und innovativ. Was das Trio mit "This Is All Yours" in die Hände der Hörenden gibt, wird die Musikwelt noch Jahre beschäftigen.

Klaus Porst

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