Interview

Nachlader


Am Abend des letzten Konzerts der Frühjahrstour von Nachlader fuhr der von "Arbeitsgeld" total infizierte Redakteur Benjamin Weber ins kleine Siegen, um sich höchstpersönlich über die Show und das Mitteilungsbedürfnis dieses Elektropunkheldens aus Berlin zu informieren. Einem sehr lockerem Gespräch, indem es unter anderem auch über die dem Leser vorenthaltenen Themen Bier, Frauen und Dire Straits ging, folgte ein toller Auftritt vor einem viel zu kleinem Publikum. Begeistert von diesem Sympathen und seiner Musik präsentieren wir euch nun: das Interview. Bitte sehr.

Wie ist die Tour bisher gelaufen? Machts Spaß?

Daniel: Ach, das macht auf jeden Fall Spaß! Es ist zwar schon sehr anstrengend teilweise, aber trotzdem ist es cool.

Ihr habt ein ja ziemlich enges Programm gehabt..

Daniel: Genau. Die Lücken, die da jetzt noch drin waren, haben wir mit diesen Bloc-Party-Support-Gigs gefüllt. Wir haben da ja noch eine andere Band, die richandkool heißt, mit der waren es auch noch mal vier konzerte vor Bloc Party. Letztendlich haben wir also fast pausenlos getourt, mit vielleicht vier freien Tagen in den letzten Wochen.

Wie war das mit Bloc Party? Die sind ja gerade der heißeste Scheiß überhaupt.

Daniel: Ach, das war schon lustig! Wir waren halt die zweite Vorband, insofern war es zwar meistens recht voll, aber die Leute waren ja wirklich nicht unsretwegen da. Das hat man schon ein Bisschen gemerkt, aber trotzdem haben wir auch mit der anderen Band gut neue Fans gewinnen können, glaube ich.

Wie sind die Publikumsreaktionen auf der ersten Nachlader-Tour zum Album?

Daniel: Man muss es so ein bisschen zweiteilen: es hätten immer ein paar mehr Leute sein können, scheinbar ist es noch nicht richtig durchgedrungen, dass es Nachlader gibt. In vielen Regionen spielt es halt auch kein Radiosender, und dann ist es ein bisschen schwierig. Aber egal wie viele Leute da waren und egal wo wir gespielt haben, die Leute waren nach dem Konzert immer zufrieden. Das ist ja erst mal das Allerwichtigste.

Lass uns ein wenig übers Album reden. Es ist ja schon so, dass es ordentlich Arsch tritt und durchaus auch tanzbar ist, aber vom Text her doch irgendwie Tiefgang hat. Wie passt das zusammen? Was ist dir wichtiger?

Daniel: Im Prinzip ist es erstmal schon darauf ausgerichtet, dass sich die Leute bewegen und irgendwie Spaß mit uns haben können, gerade jetzt auch was die Live-Konzerte angeht. Es war immer sehr wichtig für uns, dass wir die Songs problemlos live spielen können und Nachlader nicht nur so ein Knöpfchendreher-Projekt ist. (überlegt) Darüber hinaus: wenn jemand aus den Texten für sich noch etwas herausziehen kann, finde ich das sehr gut. Aber prinzipiell geht’s schon darum, dass die Musik erstmal begeistert.

Hast du das Album komplett alleine produziert und abgemischt?

Daniel: Ich hab mit verschiedenen Produzenten und Mischern zusammengearbeitet. Zwei Stücke haben Serge Kool, der auch Bass spielt und bei „Fett“ mitgeschrieben hat, und ich zusammen produziert. Hauptsächlich wars der Patti Majer, der auch die Helden gemacht hat. Das war auch echt mal gut, mit jemandem zusammenarbeiten zu können, der sehr lange in der Branche ist. Ich habe da echt viel gelernt, nicht nur von ihm, sondern von allen. So hat es sich dann halt Stück für Stück ergeben. Die letzten Stücke sind auch erst im Januar fertig geworden, irgendwie so auf den letzten Drücker .. aber trotzdem war ich dann am ende echt sehr zufrieden.

Ich persönlich finde "Fett" ziemlich cool, vor allem wegen dieses französischen Raps. Sonst ist textlich ja nicht soo viel drin.

Daniel: Da ist nicht so 'ne Botschaft drin, das stimmt. Eigentlich nur diese vier verschiedenen Bedeutungen, das wars dann auch schon. Die politischste Aussage ist es irgendwie nicht (grinst). Das ist mit unser sinnfreister Song.

Wie kommt es, dass das erste Nachlader-Album jetzt erst erscheint, obwohl du doch eigentlich schon recht alt bist für ein Debut-Album? Hätte das nicht auch irgendwie 3,4 Jahre früher kommen können?

Daniel: Konkret mit den Nachlader-Sachen habe ich eigentlich erst vor dreieinhalb Jahren angefangen. Das hat dann relativ lange gedauert, diese Maschinerie ist manchmal sehr schwerfällig. Erst mal gings darum, viele Stücke zu haben, die anschließend live umzusetzen, und das dann noch mal neu zu produzieren. Das hat halt alles irgendwie so seine Zeit gedauert, was aber auch eigentlich nicht schlecht ist, weil man so Schritt für Schritt ein Stück weiter kommt und nicht von heute auf morgen irgendwo reingeworfen wird.
Was man schon sagen kann ist, dass es vielleicht mit einem der vorherigen Projekte (lacht) schon mal hätte laufen können, aber das hatte halt nicht sollen sein. Wenn ich mir jetzt so im Nachhinein anhöre, was ich früher so gemacht hab, weiß ich auch warum es nicht geklappt hat.
Als die Nachlader-Zeit anfing, war es schon anders, das erste mal auf deutsch und so... und irgendwie sprechen mich jetzt auch teilweise bei so Stücken, in denen nur ein Satz drin ist – wie zum Beispiel bei „Alles“ – Leute trotzdem auf die Texte an, was früher bei den englischen Sachen nie der Fall war. Diese Komibnation zwischen Musik und Text ist dann doch interessanter, als einfach nur den Sound zu machen, glaube ich.

Es trifft natürlich auch den Zeitgeist, wobei man da immer ein bisschen skeptisch sein muss. Ich denke, du möchtest ungerne mit dieser ganzen großen auf uns zurollenden deutschen "Welle" in einen Topf geworfen werden?

Daniel: So Juli und Silbermond, hihi.. Es war nie meine Intention, in einer "Welle" mitzuschwimmen. Sowas passiert aber auch eher im Nachhinein und man hat das immer nicht so richtig in der Hand. Ich habe mir auf jeden Fall nicht gedacht "ach da kommt jetzt bald 'ne Welle mit deutschen Sachen und da mach ich jetzt mal auch Deutsch". Nee, das kommt zwar oft so rüber, das liegt aber glaube ich eher daran, dass die Plattenfirmen, wenn sie merken, irgendwas deutsches läuft, dann Bands, die vorher auch schon existierten, einfach ohne Ende irgendwie unter Vertrag nehmen. Dann führt das letztendlich dazu, was man ja auch schon Anfang/Mitte der 80er gemerkt hat, dass innerhalb kürzester zeit diese Welle wieder abebbt, weil das einfach überladen ist und zu viel rausgehauen wurde. Da sollte man meiner Meinung nach auch jetzt ein bisschen aufpassen, aber als Künstler hat man das nicht so wirklich in der Hand.

Es gibt in dem Zusammenhang ja auch immer diese Bands, wie Blumfeld zum Beispiel, die dann ein gewisses deutsches Selbstwertgefühl unter Musikern scharf verurteilen. Es gab da letztens so einen Sampler, auf dem nur Songs von aktuellen deutschen Bands wie Silbermond oder so drauf waren. Jetzt formiert sich da eine Gegenbewegung, die sich "i can’t relax in deutschland" nennt. Hast du schon mal was davon gehört?

Daniel: Nee, ich glaube nicht.

Das ist ein Projekt, das unter anderem von Tocotronic Miss Kittin, Blumfeld oder den Sternen unterstützt wird. Diese Bands sehen sich dann als Gegengewicht zu einem Wir-sind-Wir-Gefühl der deutschen Popkultur. Wo steht Nachlader?

Daniel: Ich möchte nicht unbedingt Teil einer Jugendbewegung sein. Ich weiß nicht, weder die eine noch die andere Welle halte ich für unterstützenswert. Ich hab davon noch nicht so viel gehört und muss mich vielleicht damit auseinandersetzen, aber so vom ersten Eindruck her und auch generell finde ich sowohl Welle als auch Gegenwelle einfach irrelevant. Ich würde mich weder total krass und „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ positionieren, noch sagen „Deutschland ist der letzte Mist.“ Also ich finds schon okay, jetzt hier zu wohnen, bin aber trotzdem nicht stolz drauf.

Ihr benutzt auf der Bühne ja auch einen Computer, ein sogenanntes Playback. Schränkt das ein?

Daniel: Teilweise schon. Deswegen gibt's da auch 'ne Überlegung, jetzt im Herbst vielleicht einen Keyboarder dazuzuholen, sodass wir zumindest einige Stücke ohne Playback spielen können. Da wäre man auch freier im Tempo und wenn man den Refrain noch mal spielen will, kann mans halt auch machen. Wir kommen ja auch alle eher aus Bands, als dass wir immer zuhause programmiert haben. Insofern ist das auch besser, teilweise nicht mehr davon abhängig zu sein - aber manchmal geht’s halt auch nicht anders. Manche Sachen sind dann zu charakteristisch, um sie live wegzulassen. Das ist dann auch ne Ästhethik des Songs, wenn so Sachen geschnitten sind, kann das ja kein Mensch der Welt live authentisch nachspielen. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass wir beim zweiten Album versuchen, den Live-Aspekt noch ein bisschen zu unterstreichen. Gerade weil jetzt die Resonanz live immer besser war als auf das Album an sich, bei dem es auch gute Resonanzen gab. Live hab ich noch gar keine negative Kritik gehört, was ja auch echt cool ist. Wir sind live eben schon so ein bisschen punkiger, und das werden wir auch echt versuchen, beim zweiten Album ein bisschen mehr rüberzubringen.

Wie wird ein Nachlader-Album aufgenommen? Spielst du wie zum Beispiel Farin Urlaub jedes Instrument selbst ein?

Daniel: Nein nein, das machen wir schon in der Live-Besetzung, also Sven, Serge Kool und ich. Wir spielen schon so lange zusammen und haben auch früher gemeinsame Bands gehabt, weswegen wir uns sehr gut kennen. Als die letzte Band sich zerschlagen hatte, haben wir uns erstmal in alle Winde zerstreut und jeder hat angefangen, vor sich hin zu programmieren. Irgendwann haben wir dieses Unkool-Kollektiv gegründet, ein Zusammenschluss von Produzenten, die selbst programmieren und sich dann live unterstützen. So ergab sich dann irgendwann die Nachlader-Besetzung, aber auch ein paar andere Bands sind daraus hervorgegangen, unter anderem die schon erwähnten richandkool.

Hast du wirklich mal überlegt, deine Gitarre zu verkaufen?

Daniel: Ja, zwischenzeitlich schon. Zwischenzeitlich hatte ich wirklich nicht mehr so richtig viel Bock, Gitarre zu spielen. Das war aber eher in der Anfangszeit von Nachlader. Gerade als ich dann so live wieder kam, hab ich den Gedanken schnell verworfen. Das macht schon Spaß und es gibt auch keinen Grund, sich da jetzt entscheiden zu müssen. Ich finde es echt gut, bei einigen Stücken einen Indie-Gitarren-Touch zu haben und dann trotzdem aber elektronische Sounds zu benutzen. Das ist für mich jetzt nicht unbedingt ein Widerspruch, im Gegenteil, vielleicht setzt sich das ja mal durch.

Benjamin Weber

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