Interview

Bodi Bill


Beim Haldern Pop Festival trafen wir Anton, Alex und Fabian von Bodi Bill nach ihrer spektakulären Bühnenshow mit Kostümwechsel und choreografischen Tanzeinlagen zum Interview. Alle drei Bandmitglieder hatten sich Zeit genommen, um Rede und Antwort zu stehen. Es wurde spekuliert, warum Bodi Bill so früh am Freitag Nachmittag auftreten mussten, und darüber gesprochen wie klein selbst großartige Musiker wie die Jungs von Bodi Bill sich manchmal fühlen, wenn sie ergreifend gute andere Musik hören. Lest selbst!

Hallo erstmal! Ich fand euer Konzert eben super! Ich war sehr überrascht, dass sich so eine Party-Stimmung entwickelt hat, und das um 15 Uhr nachmittags!

Anton: Ja, wir waren auch überrascht. Zum Glück mussten wir nicht auf der Open-Air-Bühne spielen, das Spiegelzelt hat da schon einiges gut gemacht! Ich weiß auch gar nicht, warum wir so früh auftreten mussten...

Ich war auch im Vorhinein freudig überrascht zu lesen, dass ihr überhaupt auf dem Haldern auftreten werdet... insgesamt ist es ja ein eher ruhiges Festival, da springt eure elektronische Musik doch ein wenig aus der Reihe. Wie kam es dazu, dass ihr hier gespielt habt?

Alex: Da haben sich wohl Leute für uns engagiert! Unser Manager kennt den Veranstalter des Festivals und hat ihm schon häufiger vorgeschlagen, uns zu buchen. Jetzt hat er sich getraut und 15 Uhr draus gemacht... so dass mit der Risikoband auch nichts schief laufen kann (lachen).

Anton: Aber es war auch schön, dass trotzdem so viele Leute da waren und sich für uns interessiert haben!

Wie ist das denn mit eurer Bühnendeko? Habt ihr die selbst gebastelt? Und was hat es mit dem riesigen Oberschenkelknochen auf sich?

Anton: Wir haben eine Freundin, die ist Bühnenbildnerin, die hat das alles für uns gemacht. Wir hatten auch eine riesige Schere, aber die wurde uns beim Konzert in München entwendet! Damit schneidet jetzt jemand. Genauso wie diese Freundin unterstützen uns auch andere Leute mit Sachen, für die wir keine Zeit mehr haben, wie die Klamotten und das Licht.

Das sieht ja alles sehr aufwändig aus bei euch, die Kostüme und das Bühnenbild. Man hat sich gefühlt wie im Theater! Habt ihr den Auftrag dazu gegeben, oder hatte die Freundin freien Lauf?

Alex: Sie hatte eigentlich freien Lauf, hat sich aber natürlich auch an Fabians Album-Artwork orientiert. Und wenn man sich fühlt wie ein Urmensch im elektronischen Zeitalter, dann bekommt man eben ein Fell übergezogen.

Die Gegenstände fürs Album-Artwork, habt ihr die selbst gesammelt?

Fabian: Es hat damit angefangen, dass ich auf dem Weg zum Arbeitsraum diese Steine aufgehoben habe, weil ich die Vorstellung gut fand, mit ein paar von diesen Milliarden herumliegenden Steinen das Cover zu gestalten. Da wurde dann eine kleine Obsession draus, erst waren es nur die Steine, dann war es auch irgendwann Müll und so, den ich da gesammelt habe.

Rein von der Grundlage, dass gefundene Altersgegenstände fotografiert wurden und nun als "Kunst" euer Cover zieren, erinnert mich das Ganze an die Fluxus-Künstler des vergangenen Jahrhunderts.

Fabian: Das Schöne am Album-Artwork ist ja, dass man es nochmal leichter hat als in der Kunst. Man muss ja nicht bestimmten Ansprüchen genügen, man hat seine Spielwiese. Und unsere Live-Show, die ist natürlich auch keine Kunst.

Nicht?

Alex: Ich finde nicht...

Fabian: Nein... sonst könnte man uns das ganz schön um die Ohren hauen. Denn so richtig informiert, was Kunst angeht, sind wir nicht. Da hätten wir viel zu viel Respekt vor, unsere Sachen als "Kunst" zu betiteln. Aber die Aussage von Kippenberger ist super: Jeder Mensch ist ein Künstler, aber jeder Künstler ist auch ein Mensch! Der spielt damit, aber kennt auch genau die Bezüge zu dem, über was er da spricht. Wir machen eher etwas, das relativ leicht zugänglich ist, bei unserer Musik fühlt man direkt etwas und der Unterhaltungswert ist groß.

Alex: Gute Kunst macht aber aus, dass der Unterhaltungswert erst an zweiter Stelle kommt...

Anton: Wenn überhaupt!

Alex: Eigentlich können einem alle modernen Künstler Leid tun. Die suchen sich das ja nicht aus, die machen das seit sie klein sind, die sind einfach so. Aber sie haben es echt schwer, in einer Welt, in der alles schon aufgelöst wurde, wo die Medien immer alles direkt aufgreifen.

Fabian: So ist es ja auch mit der Musik, man könnte ja auch Musik-verdrossen werden. Anfangs haben wir uns vielleicht aus solchen Gründen Genre-Grenzen entzogen, damit wir nicht so leicht fassbar sind. Mir persönlich hat es total geholfen, nicht Musik-verdrossen zu werden. Letztlich gibt es so geile Bands und Künstler und Musiker, da denke ich: Da komme ich eh nie dran! Darum war es uns wichtig, von vorneherein gegen diese Verdrossenheit anzugehen, indem wir einfach das gemacht haben, worauf wir Bock hatten. Das fing an mit der Idee im Techno-Club die Geige auszupacken. Am Anfang war es immer ein Wagnis.

Alex: Wir wollten immer genau das nicht machen, was man erwartet hat. Wir wollten bloß nicht in irgendeinen Kasten rein passen. Das war unsere Befreiung. Manche Leute waren sauer auf uns, weil wir die Einseitigkeit eines Genres hinterfragt haben.

Fabian: Wir wollten nur ganzheitlich denken. Wir wollten einfach nicht in irgendeiner Sparte landen. Am Ende haben wir dann halt als Oberbegriff "Pop-Musik" gemacht.

Wie ist das denn mit eurem eigenen Weg, den ihr finden wolltet. Habt ihr den nun gefunden, dadurch, dass ihr in keine Sparte passt?

Fabian: Es gibt Phasen beim Musikmachen, in denen man unzufrieden ist. Es ist eben wahnsinnig frustrierend, Musik zu machen. Das gehört dazu. Es ist eine Last. Es gibt Zeiten, da höre ich ein gutes Album, und das tut weh, denn ich denke: Da bin ich dagegen ein Stück Scheiße. Und das ist dann wieder eine völlig falsche Einstellung, denn man sollte froh sein, dass man dieses gute Album hören kann. Aber es ist oft schwierig, mit dem zufrieden zu sein, was man macht. Seinen eigenen Stil zu finden, ich weiß nicht, ob das geht, ehrlich gesagt. Da müsste man ja die Musik für sich beanspruchen. Man kann ja aber nicht sagen: Das ist nun unsere Musik, unser Stil, den darf niemand sonst haben. Musik ist ja kein Besitztum. Ich empfinde es als total großartig, das Gefühl als Band zu haben, man ist Teil einer Sache. Teil einer Zeit oder Kultur und so.

Alex: Naja, klar haben wir unseren Stil immer mal wieder gefunden. Man merkt das schon bei den Stücken. Die Stücke, wie sie auf dem Album sind, spielen wir mittlerweile wieder ganz anders.

Wünscht ihr euch dann, eure Songs nochmal neu einspielen zu können?

Fabian: Die Möglichkeit hatten wir ja bei der "Two In One"-Platte. Wir hatten die Möglichkeit unsere ersten beiden Alben nochmal neu anzugucken. Das war schön. Anton hat alles nochmal komplett neu gemischt, und teilweise neue Versionen auf die Platte zu machen, das war super.

Anton: Die Zusammenstellung war auch anders.

Fabian: Aber normalerweise ist es ja auch gut, mit einer Sache abzuschließen, um wieder etwas Neues anzugehen.

Alex: Wenn man etwas immer wieder verändern und verbessern möchte, dann kommt man ja nie zu einem Ende, da wird man unzufrieden. Außerdem ist der Prozess durch die elektronischen Möglichkeiten ja ein ganz anderer. Wir müssen nicht erst einen Song wie andere Bands ein Jahr lang proben, bevor wir damit auftreten können, sondern wir fangen im Studio an, dann probieren wir den Song live aus, machen ihn danach "richtig" fürs Album und dann spielen wir ihn wieder live. Es könnte ein ewiger Prozess sein.

Fabian: Aber auch diese ganze Remix-Idee grenzt ja schon an Perversion. Dass die Leute immer schon einen Remix verlangen, wenn gerade einmal die Single draußen ist. Man sollte sich doch erstmal mit der Single beschäftigen! Aber auf der anderen Seite ist es auch spannend, wenn jemand fähig ist, einen guten Remix zu machen, weil dadurch eine ganz andere Wirkung rüber kommt und sich auch andere Leute dafür interessieren.

Es fällt unheimlich schwer, euch mit anderen Künstlern zu vergleichen, weil ihr so viele verschiedene Einflüsse verbindet...

Fabian: Das ist wieder so die Sache, dass wir nicht richtig in eine Schublade passen. Wir empfinden unsere Bandentwicklung auch als ziemlich langsam, es ist etwas anderes, wenn man einmal einen großen Stempel aufgedrückt bekommt, und dann geht man mit diesem Stempel durch die Decke...

...und dann wird man nur für Festivals gebucht, zu denen der Stempel passt und kommt nicht auf so schöne Festivals wie das Haldern...

Alex: Stimmt, wir haben die Ehre auf Festivals zu spielen, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen.

Fabian: Zum einen so etwas wie Sonne, Mond und Sterne, extreme Technofestivals, zum anderen aber Folk-Festivals. Aber wir bleiben wir und machen unser Ding, egal vor welchem Publikum. Als wir auf Rock Am Ring gespielt haben, war es wieder eine ganz andere Erfahrung!

Ihr habt auf Rock am Ring gespielt? Wie war das für euch?

Fabian: Völlig absurd! Es ist sehr kommerziell, alles steht auf Durchzug. Man musste die Leute anschreien, damit sie reagieren, eine Ohrfeige nach der nächsten geben, damit sie das Gefühl haben, etwas zu fühlen. Aber trotzdem gibt es da auch Hunderte von Leuten, die ganz genauso zum Beispiel aufs Haldern passen, und das ist das Geile an Festivals, dass man diese Schnittmenge überall finden kann. Denn egal welchen Stempel ein Festival aufgedrückt bekommt, auf allen sind immer noch Menschen, und Menschen machen ganz verschiedene Dinge.

Aber kommt ihr dann auch damit klar, wenn da Menschen sind, die euch gerade gar nicht gebrauchen können?

Alex: Muss man ja!

Fabian: Das ist ja auch spannend!

Ich dachte eben beim Konzert daran, dass eure Musik das Publikum total emotional mitgenommen hat. Zum einen habt ihr diese melancholischen Parts und erdrückende Bässe, und dann kommt so eine Art Befreiungsschlag und alle fangen an zu tanzen! Wie ist das für euch, empfindet ihr das auch so?

Fabian: Ich glaube, so empfinden wir das Leben. Wenn man irgendetwas mit einer Band erreichen kann, dann ist es ehrlich zu sein, seine Beschreibung von der Weltsicht zu geben. Traurig ist nicht gleich traurig, wie man es im Kindergarten gelernt hat. Und hohle Freude ist das letzte! Hohle Freude wäre... besoffen beim Bierfest unter die Bank kotzen! Insofern versuchen wir das auf jeden Fall, wenn wir schon keinen Stil finden, dann finden wir zumindest eine ehrliche Ausdrucksweise unserer Musik.

Es kommt auch sehr ehrlich rüber.

Alex: So wie heute hat es gut getan, das alles nochmal zusammenhängend zu spielen.

Fabian: Ja, es ist krass, wenn man bedenkt, dass man eine Stunde lang an einer gemeinsamen Sache beteiligt ist. Das kann man schnell vergessen, wenn es mal tagelang nicht läuft... wenn man nur auf Rock am Ring spielt... ich will nicht nur auf Rock am Ring rumhacken... das ist ja unfair... es ist durchaus mal interessant, dort zu spielen. Aber bei so einem Festival wie heute hat man das Gefühl, dass da eine gemeinsame Ebene herrscht, dass man sich da versteht!

Von wegen mit dem Publikum verstehen, was hast du gemacht, als du unten im Publikum warst?

Alex: Den Affentanz aufgeführt.

Fabian: Ja, den Affentanz! Ich finde es total geil, ins Publikum zu gehen, andererseits ist es auch unfair, weil viele Leute mich nicht sehen können...

Aber andererseits gibt es ja auch viele kleine Leute im Publikum, die dich auf der Bühne nicht richtig sehen. Wenn du dann ausgerechnet zu denen runter kommst, ist es das absolute Highlight.

Fabian: Es gibt ja großartige Freaks, die machen total die verrückten Sachen im Publikum, zum Beispiel der Sänger von Les Savy Fav! Der tauscht da Klamotten mit dem Publikum, macht 'ne Affenschaukel...

Alex: Oder wirft Schlüpper durch die Gegend...

Ihr seid ja nun schon lange bei Sinnbus, was denkt ihr, werdet ihr mit steigendem Erfolg auch dort bleiben?

Alex: Ja, es gab schon ein paar interessante Angebote...

Fabian: Es ist eine spezielle Beziehung, die wir da haben. Da müsste schon ein sehr gutes Angebot kommen. Es ist ja nicht nur das Label, sondern das gesamte Umfeld. Es wäre irgendwie unnatürlich, darüber nachzudenken sich irgendwo anders wieder zu finden.

Alex: Manchmal ist es jedoch auch hinderlich, wenn man mit Freunden geschäftlich unterwegs ist. Zum Beispiel wenn wir die Abrechnung noch nicht gemacht haben, dann kann ich nicht auf diese Sache nicht reagieren, weil ich noch keine Zeit dafür habe, aber mich privat mal eben mit denen treffen.

Fabian: Es ist ein schmaler Grat zwischen Geschäft und Freundschaft. Es kann jetzt keiner anfangen, sich über die anderen Parteien hinweg zu setzen, dann würde das Ganze irgendwann zerbrechen.

Alex: Aber wir sind froh, dass wir uns so gut verstehen, dass wir diese Freiheiten haben. Außerdem ist es auch die Frage, wie heiß man darauf ist, schnell groß raus zu kommen. Freunde von mir, eine Band aus New York, die sind grad ziemlich groß raus gekommen. Jetzt sind die nur unterwegs, nur auf Tour, die sahen aus... die hatten kein Privatleben mehr und nichts.

Habt ihr denn noch ein "normales Leben"?

Alex: Wir versuchen, das irgendwie hin zu kriegen.

Fabian: Ich finde es schwer. Das normale Leben findet ja nicht während der Woche statt. Nicht weil ich irgendwie ausgehen will, sondern viele Freunde, die man sehen will, die sieht man eher am Wochenende.

Alex: Die anderen müssen ja auch während der Woche arbeiten gehen, die Kinder in die Schule.

Fabian: Das ist aber auch das typische an der Elektro-Welt. Ich kann permanent ins Studio gehen, und am Wochenende dann auftreten.

Alex: Diesen Sommer war es extrem, wir hatten kaum eine Pause, das werde ich nicht mehr so machen, ich hatte kaum Zeit mit der Familie, das war alles total zerfasert.

Ihr hattet es eben beim Konzert von der Lehre der Woche. Was ist denn nun eure Lehre der Woche?

Fabian: Achso... das Lied danach, da ging es darum... ich bin ja atheistisch aufgewachsen, glaub auch nicht an Gott, aber lese manchmal in ein Dalai-Lama-Buch rein. Was bei den Missständen unserer Zeit übrig bleibt, ist der Wunsch, dass man miteinander denkt. Wenn man sich ständig auf Feiern begibt, und das ist ja nun auch ein Festival, eine große Feier, wenn man da nach Hause geht und nicht gelernt hat, dass es schön ist, friedlich miteinander zu sein, dann ist es bescheuert, feiern zu gehen. Wenn man nur um seine eigene Persönlichkeit darzustellen feiern geht, dann hat das doch keinen Sinn. So ein Miteinander wie es hier möglich ist, das sollte auch... Hoffnung bedeuten!

Alex: So kann man das ja auch in der Familie oder mit Freunden erleben. Es macht einen froh, wenn man was abgeben kann.

Und dann auch wieder was zurück bekommt...

Fabian: Aber du weißt ja nie, ob du etwas zurück bekommst!

Alex: Genau, und da sind wir auch wieder beim Konzert. Wir sind, egal in welcher Situation, immer erstmal bereit zu geben, und wenn die Leute es nicht entgegen nehmen wollen, dann dürfen wir aber auch nicht eingeschnappt sein.

Und wenn sie es entgegen nehmen, dann könnt ihr durch eure Musik dazu beisteuern, dass es den Leuten gut geht.

Fabian: Ja, wer weiß? Es wäre schön, wenn da Leute sind, bei unseren Konzerten, die sich durch unsere Musik belohnen. Oder die durch die Musik Seiten an sich entdecken, die sie als Belohnung empfinden. Das ist ja das Schöne an der Musik, dass man durch sie neue Seiten an sich entdecken kann. Dass die Leute sich fühlen, dass sie Liebe und Traurigkeit in sich entdecken, das ist echt viel.

Marlena Julia Dorniak

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