Rezension

Tycho

Awake


Highlights: Montana // Spectre
Genre: Ambient // Downtempo // IDM
Sounds Like: Milosh // Com Truise // Helios

VÖ: 18.03.2014

Der Himmel verfärbt sich von Schwarzblau über Lila und Rosa zu hellem Rot, bis das Dunkel der Nacht allmählich von einem warmen Orange abgelöst wird. Erste Sonnenstrahlen fallen auf taufeuchte Gräser, kriechen durch die kleinsten Lücken und wecken langsam die noch müden Lebensgeister. Tagaus, tagein folgt der Sonnenauf- dem Sonnenuntergang; dazwischen liegt nur der Mond.

Sein Faible für große Himmelskörper drückt Scott Hansen schon durch den Künstlernamen aus und während man mit Tychos letztem Werk „Dive“ die Sonne vor seinem inneren Auge in einem Feuerwerk von Himmelsfarben untergehen sah, geht sie mit „Awake“ ebenso farbenfroh wieder auf - das Artwork der Albumcover rundet genau dieses Bild quasi nur pro forma ab.

Was an Tychos Musik ist es nun, das diese naturverbundenen Assoziationen hervorruft?

Einmal den Klangteppich ausgeschüttelt, fliegen die warmen Sounds nur so durch die Luft. „Montana“ startet mit sommerlichen Gitarrenriffs, dann steigen Schlagzeug und Synthies ein und der ganze Klang wirkt angenehm beruhigend, ohne das Tempo zu verlieren und Gefahr zu laufen, langsam und langweilig zu werden. Ähnlich ist es mit „Dye“, das klanglich perfekt in genau dieses Konzept passt und auch gut „Montata II“ hätte heißen können. Einzig das anschließende „See“ ist eher ein kleiner Schwachpunkt des Albums. Ein Klatschen im Intro wird zu Rhythmen aus der Gitarre, die nicht so richtig passen wollen und der Synthesizer ab der Mitte des Liedes lässt das Ganze nach Ken Camdens „Space Mirror“ klingen – der schafft zwar auch Assoziationen zu Himmelskörpern, aber eben auch zu Weltraumfahrten und Astronauten. Mit „Apogee“ gibt Tycho dem Hörer jedoch schnell wieder einen Schubs zurück in Richtung Sonnenaufgang und mit „Spectre“ spürt man dann endgültig die Sonnenstrahlen auf der Haut. Hier werden die Töne so wunderbar eingefangen, gekesselt und wieder freigelassen, dass sich das Gefühl loszulassen nicht mehr abschütteln lässt - loslassen vom vorherigen Tag, loslassen von der Stille der Nacht, loslassen, um neu greifen zu können.

Die Schiene der bildenden Künste, auf der Hansen unter dem Namen ISO50 fährt, findet eindeutig auch auf Tychos „Awake“ ihren Platz. Dutzend Bilder wirbeln im Kopf herum wie die Musik im Ohr und das Gefühl von losgelösten Momenten macht sich breit. Die Welt sollte sich in Zeitlupe drehen, denkt man, und irgendwo müsste ein Riesentrampolin stehen, auf dem man herumspringt. Bei jedem Sprung schwingt die Musik mit wie das Sprungtuch, in das man sich fallen lässt, und am besten passiert alles irgendwo vor einem farbenprächtigen Sonnenaufgang.

Doreen Stoecke

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